22.9.11

Playlist Sommer 2011


*****

Chip Taylor (with John Platania, Kendel Carson),
Rock and Roll Joe
(Train Wreck)

„A tribute to the unsung heroes of rock ’n‘ roll“ lautet der Untertitel von Chip Taylors aktuellem Werk. „This album is in honor of the unsung heroes of rock music. The history of rock is filled with Rock and Roll Joes who were instrumental in shaping the sound of today’s best music, yet their contributions are barely recognized“, heisst im Album, „The album is a tribute to the under appreciated session players, songwriters, producers, and behind the scenes people who helped shape the music we love.“ Ein gutes Dutzend Songs, teils wunderschön, sind diesem Thema gewidmet. Da wird zwar nicht laut gerockt, aber es rollt ganz schön.

Einen halben * extra gibts für die Website zum Projekt: Auf http://www.rockandrolljoe.com werden solche unsung heroes vorgestellt, und die Besucher der Seite können auch selbst Personen für diese virtuelle Hall of Fame vorschlagen. Vorgestellt werden da z.B. Steve Popovich, „a music executive and fan“, Session-Pianist Nicky Hopkins (The Kinks, The Rolling Stones), Gitarrist Cornell Dupree (B.B. King, Paul Simon, Aretha Franklin), Drummer Clyde Stubblefield (James Brown), Pianist Richard Bell (Janis Joplin), Pedalsteel-Gitarrist Sneaky Pete Kleinow (Flying Burrito Brothers, Joe Cocker, Joni Mitchell). Neben Chip Taylor schreiben da auch verschiedene andere Musiker, darunter etwa Robert Earl Keen (über den Songwriter John Vandiver) und Bill Frisell („My Influences and Teachers“). Ich hoffe, diese Website wird weitergeführt.


Sir Douglas Quintet, The Mono Singles ’68–’72 (Sundazed)

Dazu gibts eigentlich nicht viel zu sagen. Alle Singles von Doug Sahm und seinen Jungs von Ende 1960er bis Anfang 1970er Jahre auf Mercury und den Schwesterlabels Smash und Philips. 22 Tracks, nicht nur Hits wie „Mendocino“, „Dynamite Woman“ und „Nuevo Laredo“, sondern auch international weniger bekannte Titel und obskure B-Sides, auch solche, die nicht auf Alben erschienen sind.


****1/2

Greg Brown, Freak Flag (Yep Roc)

Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich das erste Mal ein Album von Greg Brown hörte. Ein französisches Label hatte „Dream Café“ (1992) vom amerikanischen Label Red House, das in Europa nicht vertrieben wurde, übernommen. Songs wie „Just By Myself“, „Nice When It Rains“ und „Laughing River“ sind mir bis heute im Ohr geblieben. Ich war auf Anhieb fasziniert von diesem Singer/Songwriter aus Iowa – und fand heraus, dass es schon acht frühere Alben von ihm gibt. Es dauerte, bis ich diese Platten auch hatte, denn das war noch in der Vor-Internet-Zeit. Seither hat er sicher ein Dutzend weitere Alben gemacht, darunter vorzügliche wie „The Poet Game“ (1984) und „The Eveninig Call“ (2006). Aber „Dream Café“ blieb für mich das beste. Bis jetzt. Mit 62 ist Greg Brown einmal mehr in Höchstform. Er klingt immer noch ein bisschen wie eine Mischung aus Leonard Cohen und Tom Waits. Doch hier gibts auch einen Song, „Where Are You Going When You’re Gone“, der tönt wie eine Hommage an Charlie Feathers, einen meiner Lieblings-Rock-’n‘Roller. Tatsächlich hat Brown das Album in den Ardent Studios, wo auch Feathers schon aufgenommen hat. Begleitet wird er unter anderem vom Gitarristen Bo Ramsey (der das Album auch produzierte), bei einem Song spielt Mark Knopfler Gitarre. Neben neun eigenen Songs gibt es zwei Covers: „Let The Mystery Be“ von seiner Frau Iris DeMent und „Remember The Sun“ von seiner Tochter Pieta Brown.


Robyn Ludwick, Out of These Blues (Late Show Records)

Grant Peeples, Okra and Ecclesiastes (Gatorbone)

Zwei ganz unterschiedliche Singer/Songwriter mit einer Gemeinsamkeit: beide Alben wurden von Gurf Morlix produziert und er spielt auf beiden massgebend mit.

• Robyn Ludwick, die Schwester der bekannten Singer/Songwriter Bruce Robison und Charlie Robison, hat 2005, schon über 30-jährig, ihre starkes Debüt „For So Long“ aufgenommen. Ihr drittes Album mit einem Dutzend starker Songs über Sehnsüchte, Abschiedsschmerz und gebrochene Herzen, geht unter die Haut. Das ist besser als das neue Album von Lucinda Williams! (Gurf Morlix ist übrigens der Produzent des besten Lucinda-Williams-Albums, „Lucinda Williams“, 1988: *****.) Neben Morlix an diversene Saiten- und Tasteninstrumenten sind der Organist und Pianist Ian McLagan (Small Faces), Fiddler Gene Elders, Ehemann John Ludwick am Bass sowie Trish Murphy und Slaid Cleaves mit Harmony Vocals mit von der Partie.

• Auch bei Grand Peeples, dem brillanten Songwriter aus Florida, spielt Produzent Morlix Saiteninstrumente und Keyboards, und dazu hat er den Akkordeonisten Radoslav Lorkovic mitgebracht. Peeples schreibt starke Songs über die Leben im Südosten. Der doch eher aussergewöhnliche Albumtitel kommt aus dem Song „My People Come From the Dirt“:

My people come from the dirt, full choke and steel guitar
Cigarettes and whiskey, and a dog chained in their yard
My people come from the dirt, white bread and kerosene
Catfish and flatbeds, sweat stains and retreads, okra and Ecclesiastes

Grant Peeples schreckt auch nicht zurück vor Songtiteln wie „High Fructose Corn Syrup“. In diesem Song heisst es:

My grip on tomorrow, it’s slipping away, while Darkness draws ever more near
There’s evil and danger ‘round every bend But I know I got nothing to fear

Cause there is High fructose corn syrup, Reality TeeVee
Taylor Swift and Burger King Jesus and cheap gasoline


****

Amber Digby & Midnight Flyer, Live at Swiss Alps Hall (Heart of Texas)

Gal Holiday and the Honky Tonk Revue,
Set Two
(self-released)

The Sweetback Sisters, Looking for a Fight
(Signature Sounds)

Dreimal beste Honky Tonk Music mit starken Frauenstimmen: aus Texas, aus Lousiana und – aus Brookyln, New York.

• Amber Digby beweist mit den 26 (!) Tracks, dass sie auch live eine fantastisch gute Sängerin ist. Als Special Guest ist Justin Trevino dabei. Die Swiss Alp Hall, wo das Album aufgenommen wurde, ist eine über hundert Jahre alte Dance Hall zwischen Schulenburg und La Grange in Texas; Schulenburg liegt etwa in der Mitte zwischen San Antonio und Houston.

• Gal Holiday and the Honky Tonk Revue, ein Sextett mit Leadsängerin Vanessa Niemann, kommen aus Louisiana und spielen 1A Honkytonk, Western Swing und Rockabilly: Klassiker, ein paar eigene Songs – und Bob Dylans „Don’t Think Twice“.

• The Sweetback Sisters sind ein Sextett aus New York City, aus Brooklyn, bei dem sich zwei Frauen, Zara Bode und Emily Miller, den Leadgesang teilen. Neben eigenen Songs gibts hier auch den Hazel-Dickens-Klassiker „Don’t Put Her Down, You Helped Put Her There“, „Rattled“ von den Traveling Wilburys und eine umwerfende Version von Dwight Yoakams „It Won’t Hurt When I Fall From This Barstool“. Macht Freude!


The Band of Heathens,
Top Hat Crown & Clapmaster’s Son
(BOH)

Nicht ganz so ohrwurmig für mich wie das letzte Album „One Foot in the Ether“, aber ein prima Album der Rootsband aus Autstin, Texas.


Danny Click, Life Is a Good Place (DogStar)

Seit seinem Debüt „Forty Miles“ (1998) habe ich nichts mehr von diesem Singer/Songwriter gehört. Schönes Album mit bluesigen und rockigen Akzenten.


Carolina Chocolate Drops, Heritage (DixieFrog; 2008)

Eine Sammlung früherer Aufnahmen dieses schwarzen Stringband-Roots-Trios; ist noch erdiger, „urchiger“ als das mit einem Grammy ausgezeichnete 2010er Album „Genuine Negro Jig“.


Steve Earle, I’ll Never Get Out of This World Alive
(New West)

Der grosse Singer/Songwriter unter den Fittichen von Produzent T Bone Burnett. Das macht den Sound etwas raffinierter. Uns sonst: the real Steve Earle. Cover Art wie immer vom genialen Künstler Tony Fitzpatrick aus Chicago.


Joe Ely, Satisfied at Last (Rack ’em)

Mit 65 klingt der Countryrock-Held aus Texas immer noch fast so gut wie zu seinen besten Zeiten in den 1980ern. Bewährte Mischung aus Handorgel-Balladen und erdigem Gitarren-Rock samt einer Prise Flamenco.


Los Fabulocos Featuring Kid Ramos, Dos
(Delta Groove Music)

Das zweite Album der Chicano-Akkordeon-Rock-’n‘-Roller aus Kalifornien macht wiederum viel Spass.