30.8.06

Im CD-Wechsler (12/2006)

***1/2 – Mark Selby, „And The Horse He Rode In On“ (ZYX Music)
Mark Selby, bekannt vor allem als Songwriter – etwa für Kenny Wayne Shepherd und die Dixie Chicks –, hat sich mit der Klampfe in seine Stube gesetzt und ein paar seiner neuen und nicht mehr so neuen Lieder aufgenommen. Das Vorgehen tönt simpel. Das Resultat klingt aber ziemlich gut. Dies vor allem, weil Selby nicht nur ein guter Songschreiber ist, sondern vor allem auch ein exzellenter Gitarrist. Seine Slide-Künste auf der akustischen Gitarre sind ein Genuss. Am einen oder anderen Ort hat er mit ein paar sparsamen Overdubs den Mann-mit-Klampfe-Sound noch etwas akzentuiert. Seine Darbietung changiert irgendwo zwischen klassischem Blues und Folk und Country. Ergänzt hat er seine eigenen Titel mit Covers von ein paar Lieblingssongs. Es ist immer spannend zu sehen, welche „fremden“ Songs Songschreiber besonders mögen. Mark Selby zeigt da guten Geschmack: „Down In The Flood“ von Bob Dylan, „A Whiter Shade Of Pale“ von Procol Harum (interessant, diesen Hammondorgel-lastigen Klassiker auf der akustischen Gitarre zu hören) und „Little Wing“ von Jimi Hendrix.

*** – The Stairwell Sisters, „Fell All Over The Floor“ (Yodel-Ay-Hee)
Die Stairwell Sisters sind Martha Hawthorne (Bass), Stephanie Prausnitz (Fiddle), Lisa Berman (Dobro, Guitar, Banjo, Weissenborn, Hawaiian-Slide), Sue Sandlin (Guitar, Tiple, Accordion) und Evie Ladin (Banjo, Buckdancing). Das Frauen-Quintett aus San Francisco spielt alte Folk-, Stringband- und Bluegrass-Stücke. Die Instrumental-Tracks klingen so wie weiland in den frühen Siebzigerjahren das, was musikalische Hippiekommunen an Folkfestivals rauf- und runterdudelten. Das perlt und klingelt und hüpft so niedlich und nett, dass es mir nach drei Minuten zum Hals raus hängt. Doch dazwischen singen sie auch, und das mit so viel Dreck in den Stimmen, dass ein wohltuender Kontrast zum lieblichen Musizieren entsteht. Dafür gebe ich ein Sternchen dazu.

***1/2 – The Wailin’ Jennys, „Firecracker“ (Red House)
Ein halber Stern extra für den wirklich echt witzigen Namen dieses Frauen-Trios aus Kanada! Ruth Moody, Nicky Mehta und Annabelle Chvostek sind alle drei Songschreiberinnen und Sängerinnen und Gitarristinnen; Chvostek spielt auch Mandoline und Violine, Moody auch Akkordeon und Banjo. Unterstützt von weiteren Musikern mit teils auch elektrisch verstärkten Instrumenten singen und spielen sie praktisch ausschliesslich eigene Song in einer charmanten Mischung aus Folk und Country.

**** – Lauren Marie, „Introducing Miss Lauren Marie“ (Texas Jamboree)
Aus dem Nordosten der USA stammt Lauren Marie, jetzt lebt sie in Austin, Texas. Und sie singt Rockabilly und Honkytonk, dass es eine wahre Freude ist. Unter den Fittichen von Produzent und Gitarrist Bobby Horton hat sie ein bezauberndes Debüt eingespielt mit Songs wie Roy Orbisons „Sweet And Easy To Love“, Willie Nelsons „How Long Is Forever“, Pat Boones „Moody River“, Bing Crosbys „Three Little Words“, Billy Walkers „The Last Kiss Is The Sweetest“ und Johnny Burnettes „Believe What You Say“. Ziemlich cool.

*** – Candace Kunz, „Keepin’ It Simple“ (self-released)
Candace Kunz arbeitet an der Bar im legendären General Store von Luckenbach, Texas. Und sie schreibt Songs. 14 eigene Lieder hat sie unterstützt von einem musikalischen Stammgast in Luckenbach, T-Roy Miller (Gitarre, Dobro) nun aufgenommen und selber herausgebracht. Eine talentierte junge Frau mit bluesiger Ader. Muss man im Auge behalten.

15.8.06

Im CD-Wechsler (11/2006)

* – Neil Young, „Living with War“ (Reprise)

Zwei Klarstellungen vorweg:
1. Ich bin ein grosser Verehrer von Neil Young und seinem Werk, schon seit den tiefen Siebzigerjahren. Mein Lieblingsalbum von Neil Young ist „American Stars ’N Bars“ (1977), und ich mag auch viel geschmähte Alben wie „Everybody’s Rockin’“ oder „Re-ac-tor“.
2. Ich bin gegen den Krieg. Welchen auch immer. Grundsätzlich.

Und nun hat Neil Young ein Album gegen den Krieg und gegen US-Präsident Bush gemacht. Und es ist – es tut weh – grauenhaft. Die Texte sind teils nur plump. Die Musik ist uninspiriert und langweilig. Und ständig irgendwelche Kinderchöre im Hintergrund, bei welchen mir gleich „Another Brick in the Wall“ von Pink Floyd (gar keine Lieblingsband von mir) einfällt.
Das Album ist ja jetzt schon einige Monate alt, und es ist wochenlang bei mir rumgelegen, bis ich es mal in den CD-Player schob. Denn ich dachte, an so viel Negativem, was ich schon darüber gehört hatte, muss ja wohl leider schon ein bisschen was dran sein. Aber was ich dann hörte, war schlimmer als alles, was ich befürchtet hatte.

Schwamm drüber und auf das nächste Album von Neil Young warten! Ich bin überzeugt, dass dies ein einmaliger Ausrutscher war.

** – Dixie Chicks, „Taking the Long Way“ (Columbia)

Zwei Klarstellungen vorweg:
1. Ich mag die Dixie Chicks. Schon immer. Schon bevor Natalie Maine dazu stiess und sie berühmt wurden. 1992 in Texas bin ich auf sie gestossen, und das damalige Album „Little Ol’ Cowgirl“ finde ich heute noch toll.
2. Ich gönne diesen hoch talentierten Frauen den plötzlichen Welterfolg, der 1998 kam – es ist doch immer mal wieder schön, wenn es ausnahmsweise einmal die Richtigen schaffen. Und ich finde, sie haben sich auch im grossen Musikgeschäft gut gehalten.

Und nun das: Nach dem Bashing wegen Natalie Maines’ Anti-Bush-Statement haben sie unter den Fittichen des grossen Rick Rubin ein Album aufgenommen, mit welchem sie sich ein bisschen trotzig gegen die konservativen Fans stellen. So weit, so gut. Nur: Das Album klingt irgendwie Scheisse, ist in kaum einem Moment auf der Höhe ihres sonstigen Schaffens. Statt dem stupenden Können der Schwestern Emily Robison und Martie Maguire auf allerhand Saiteninstrumenten höre ich pampige Orgeln. Alles wirkt überorchestriert, die durchaus vorhanden feinen Töne werden ständig überdeckt.

Schwamm drüber und auf das nächste Album der Dixie Chicks warten! Nachdem sie nun ihren Frust rausgelassen haben, können sie sich wieder auf ihre wirklichen Qualitäten besinnen. Und dafür müssen sie auch gar nicht zu einem Starproduzenten nach Los Angeles pilgern. Natalies Papa Lloyd Maines würde als Produzent ihrem Sound besser dienen.