31.12.05

Best of 2005: Top Ten etc.

Meine Lieblingsalben 2005:
1. Amber Digby, Music From The Honky Tonks
2. Pieta Brown, In The Cool
3. Taj Mahal, Mkutano
4. Abigail Washburn, Song Of The Traveling Daughter
5. Wayne Scott, This Weary Way
6. Joy Lynn White, One More Time
7. Two Tons of Steel, Vegas
8. Hacienda Brothers, Soul
9. Robyn Ludwick, For So Long
10. Terry Anderson and the Olympic Ass-Kickin Team (same)


Ausser Konkurrenz:
Blaze Foley, Wanted More Dead Than Alive (1988)

Knapp ausgeschieden (alphabetische Reihenfolge):
Bluerunners, Honey Slides
BoDeans, Hombrewed. Live From The Pabst
Sarah Borges, Silver City
Hayes Carll, Little Rock
Bettye LaVette, I’ve Got My Own Hell To Raise
TJ McFarland, Rosenbum’s Gin
James McMurtry, Childish Things
Mike Stinson, Last Fool At The Baar
Los Super Seven, Heard It On The X
Lucinda Williams, Live @ The Fillmore
William Elliott Withmore, Ashes To Dust
Dwight Yoakam, Blame The Vain

30.12.05

Im CD-Wechsler (Woche 52 / 2005)

**** – Terry Anderson and the Olympic Ass-Kickin Team (Doublenaught)
Southern Rock mit einem Augenzwinkern in der Tradition von Bands wie Georgia Satellites und Rainmakers. Singer/Songwriter Terry Anderson ist ein Veteran im Geschäft, sass am Schlagzeug für Don Dixon, Dan Baird, The Backsliders und viele andere. Dan Baird (ex Georgia Satellites) ist auch als Gast dabei, ebenso Eric «Roscoe» Ambel. Musik für den Highway. I like it.

**** – Van Preston, «Schizophrenic Heart» (Unconventional)
Die aus Arkansas stammende Sängerin und Songschreiberin lebt und arbeitet in Nashville. Starkes Americana-Debüt, auch mal mit rockigem Gitarren-Sound. Der Song «Bought Myself A Toy» dürfte eine Reminiszenz an ihre gescheiterte Ehe sein: I don’t need you anymore my dear, because I bought myself a toy. Ein Song, den die US-Radios gewiss nicht spielen.
(Das Album ist allenthalben – auch auf Van Prestons Website – mit dem Titel «Schizophrenic Heart» angekündigt,; auf der CD selber steht das nur als Songtitel, sonst steht da nur ihr Name drauf.)

**** – James McMurtry, «Childish Things» (Compadre)
Der brillante Songwriter aus Texas – musikalisch klingt er für mich immer wie ein ruraler Lou Reed – in Topform.

**** – Leaving, TX, «100 Miles To Sunday» (Lucky Range)
Sehr schöner Americana-Sound aus Virginia.

***1/2 – Honeybrowne, «Something To Believe In» (Compadre)
Die neue junge Americana-Kombo aus Austin, Texas. Ansprechendes Debüt.

***1/2 – The Doc Marshalls, «No Kind Of Life» (self-released)
Cajun und Country von einem Quartett aus Brooklyn NY.

***1/2 – Freddy Fender & Flaco Jimenez, «Dos Amigos» (Back Borch)
Zwei alte Freunde (und die halben Texas Tornados) singen und spielen spanischsprachige Songs von früher. Stimmungsvoll. Flacos Akkordeon gewohnt virtuos, und Baldemar Huerta (aka Freddy Fender) hat den mexikanischen Schmelz drauf wie eh und je.

*** – Billy Joe Shaver, «The Real Deal» (Compadre)
Ein ganz Grosser. Er sollte aber besser nicht selber produzieren. Das Album dümpelt etwas zu gleichförmig dahin. Nette Duette mit Nanci Griffith und Kimmie Rhodes.

**1/2 – Augie Meyers, «Alive And Well At Lake Taco» (White Boy)
Der gute alte Augie spielt mit Freunden wieder einmal die immer gleichen alten Songs ein («Hey Baby, Ke Paso» usw.). Der TexMex-Altmeister tendiert zunehmend zu Festhütten-Sound.

23.12.05

Im CD-Wechsler (Woche 51 / 2005)

**** – Mike Stinson, «Last Fool At The Bar» (Boronda)
Zwei Jahre nach seinem starken Debüt «Jack Of All Heartache» legt Mike Stinson, «the uncrowned King of the L.A. Neo-Honky Tonkers» («Hollywood Reporter») noch einen Zacken zu. Sein Album «Last Fool At The Bar» rückt den aus Virginia stammenden, jetzt in Los Angeles lebenden Singer/Songwriter (und auch Drummer für Kollegen) noch näher an einen Gram Parsons heran. Erneut mit von der Partie ist Gitarrist Tony Gilkyson (der schon bei der legendären L.A.-Punk-Band X mit Exene Cervenka und John Doe dabei war). Stinsons näselnder Gesang erinnert etwas an Bob Dylan, der ihn aber vor allem als Songschreiber beeinflusst hat. Von Stinsons Songwriting angetan zeigte sich auch Dwight Yoakam, der «The Late Great Golden State» von Stinsons Debütalbum sofort für sein Album «Population Me» (2003) aufnahm.

**** – TJ McFarland, «Rosenbum’s Gin» (Explosive)
In der gleichen Liga wie Mike Stinson spielt auch TJ McFarland, geboren in South Dakota, aufwachsen in Oklahoma und heute, nach einem Zwischenspiel in Texas, in Kalifornien lebend. Als seine wichtigsten Einflüsse nennt er selber Bob Dylan, Gram Parsons, The Doors, Dwight Yoakam und Ryan Adams. Zur Hand gegangen sind McFarland bei seinem zweiten (oder dritten?) Album Musiker aus dem Umfeld von Dwight Yoakam und Lucinda Williams wie die Gitarristen Doug Pettibone und Keith Gattis, Bassist Taras Prodaniuk, Keyboarder Skip Edwards – sowie Gitarrenlegede Waddy Wachtel. Zwischendurch gehts da auch ziemlich rockig zur Sache.

**** – North Mississippi Allstars, «Electric Blue Watermelon» (ATO)
Auf ihrem neuen Album besinnen sich die Brüder Luther (guitar, vocals) und Cody Dickinson (drums) sowie Chris Chew (bass, vocals) auf ihre musikalischen Wurzeln. Diese liegen vor allem im Blues von Figuren R.L. Burnside und Junior Kimbrough. Und im Wirken ihres Vaters Jim Dickinson (aka East Memphis Slim), der bei den frühen Alben von Ry Cooder eben so mitwirkte wie bei der Entwicklung des berühmten Memphis-Sound in den legendären Ardent-Studios. Er produzierte das Album seiner Söhne. Blues und Südstaaten-Rock ’n’ Roll bilden die Basis, auf der dann Ausflüge in alle Richtungen möglich sind, etwa zu Rap oder zum Sound der Dirty Dozen Brass Band, die zu den zahlreichen Gästen auf dem Album zählt. Ein Höhepunkt ist «Hurry Up Sunrise» als Duett von Luther Dickinson mit Lucinda Williams.
Jim Dickinson sagt zum neuen Album der Allstars:
North Mississippi Allstars make no claim to being a blues band. Something happens when white boys play the blues. Rock and Roll. Whether it's Elvis or the Beastie Boys, this music has come to symbolize freedom the world over and to illustrate the inter-racial brotherhood of man.

***1/2 – Bobby Bare, «The Moon Was Blue» (Dualtone)
Bobby Bare gehört zu meinen alten Helden. Nicht für seine frühen Hits wie «500 Miles Away From Home» aus den frühen Sechzigern, sondern wegen seinen Alben aus den 1970er-Jahren, für die ihm vor allem Shel Silverstein so manchen Song auf den Leib schrieb. Und es war vor allem Bobby Bares Interpretation von «Tecumseh Valley» auf «Diamond & Dirt» (1979), die mich erst auf Townes Van Zandt brachte. Ich hatte in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren auch mehrmals das grosse Vergnügen, Bobby Bare live zu erleben. Nach dem feucht-fröhlichen Album «Drinkin' From The Bottle, Singin' From The Heart» (1983) wurde es jedoch plötzlich still um diesen grossen Sänger und Musiker.
Inzwischen hat sein Sohn, Bobby Bare Jr., am Anfang auch noch mit Unterstützung des dann verstorbenen Shel Silverstein, eine vielversprechende Karriere gestartet. Und er ist es denn auch, der den Vater, inzwischen 70 geworden, wieder ins Studio brachte. Den energetischen Countryrock von damals im Ohr – «Too Rock For Country, Too Country For Rock And Roll», besang er selbstironisch seine damalige Situation zwischen Stuhl und Bank – irritierte das Comeback-Albums vorerst schon ein bisschen: «Are You Sincere» mit gepflegten Streichern und Bobby Bare als Country-Crooner. Ein bisschen Fifties-Easy-listening wie Pat Boones «Love Letters in The Sand» oder «It’s All In The Game» von Tommy Edwards. Der mit Abstand «modernste» Song ist «The Ballad Of Lucy Jordan» (geschrieben übrigens vom late great Shel Silverstein). Es brauchte ein paar Durchgänge, um mich mit dem «neuen» Bobby Bare anzufreunden. Aber je mehr ich das Album hörte, um so mehr wuchs es mir ans Herz. Und ich hoffe, das war nicht das letzte dieses Meisters.

15.12.05

Im CD-Wechsler (Woche 50 / 2005)

**** – Joy Lynn White, «One More Time» (Thortch)
Mit ihren exzellenten Alben «Between Midnight & Hindsight» (1992) und «Wild Love» (1994) für Columbia zu Beginn der Neunzigerjahre sah Joy Lynn White aus wie ein kommender Star. Aber offenbar sagten die Verkaufszahlen etwas anderes, die Plattenfirma liess White fallen. Wohl war ihr zum Verhängnis geworden, was Bobby Bare schon zehn Jahre davor besungen hatte: «Too Rock For Country, Too Country For Rock And Roll». 1997 folgte dann auf Pete Andersons Label Little Dog das nicht minder exzellente Album «Lucky Few». Auf ihrem offiziell vierten Album (effektiv gab sie selber 2002 noch eine CD mit Demoaufnahmen von 1997 bis 2002, «On Her Own», heraus) beweist sie sich erneut sowohl als ausgezeichnete Songschreiberin wie auch als tolle Sängerin. Das klingt mal mehr nach Country, mal mehr nach Rock, aber immer ganz stark. Gut, dass sie auch das schon auf dem Demo-Album veröffentliche, wunderschöne «Girls With Apartments In Nashville», das sie zusammen mit Duane Jarvis geschrieben hat, noch einmal aufnahm:
Girls with apartments in Nashville
They drive beat up old cars
Ride around with their guitar
In the back seat
They have their dreams
They have their dreams

**** – The Peasall Sisters, «Home To You» (Dualtone)
Bei singenden Kindern bin ich prinzipiell skeptisch. Bei den Peasall Sisters – Sarah (18), Hannah (14) und Leah (12) – war ich jedoch schon 2002 vom Debüt «First Offering» angetan. Mit dem zweiten Album «Home To You» legen die drei Schwestern mit den schönen Stimmen jetzt noch zu. Die Peasall Sisters stehen mit ihren Songs, ihrem Sound, ihrem Gesangsstil klar in der Tradition der legendären Carter Family. Das unterstreicht auch die Person des Produzenten: John Carter Cash, der Sohn von June Carter und Johnny Cash. Neben einigen Traditionals und dem Carter-Family-Song «I Will Never Marry» präsentieren die Mädels aus White House, Tennessee, erstmals auch drei selber geschriebene Titel. Geht man davon aus, dass sie sich mit dem Älterwerden auch musikalisch noch weiter entwickeln, kann da in Zukunft noch viel Erfreuliches auf uns zu kommen.

***1/2 – Gasmoney, «22 Dollars» (self-released)
Gasmoney, ein Trio um Songschreiber, Sänger und Gitarrist Fred Stucky, kommt aus Philadelphia. Die drei Jungs bringen eine bekömmliche Mischung aus Country und Rock ’n’ Roll, die live zweifellos selbst bei den Hängern an der Bar ein Fusswippen auslöst. Irgendwo wurden sie als Mischung aus Hank Williams und Rollings Stones bezeichnet, anderswo wurde ihr Sound mit «als würden die Sex Pistols Country-Songs singen» beschrieben. Beides ist vielleicht etwas gar vermessen, aber auf jeden Fall kann das Trio ganz schön rau zur Sache gehen. Die Aufnahmen, die auf desem Album versammelt sind, entstanden von 2002 bis 2004

*** – Merle Haggard, «Chicago Wind» (Capitol)
The Hag ist zurück auf einem major label. Klar, der Veteran ist sowohl als Songwriter wie als Performer ein sicherer Wert. Das neue Album ist sehr solid, aber viel mehr leider auch nicht.

*** – Bear & The Essentials, «Two Time Fool» (self-released)
Stimmungsvoller Rockabilly der traditionalistischen Art aus Austin, Texas. Billy Horton produzierte das Debüt von Bear (vocals, rhythm guitar), Ethan Shaw (upright bass) und Doug Strahan (lead guitar). Kurz – elf Songs, eigene und ein paar Klassiker in knapp 25 Minuten – und kurzweilig.

*** – Black Water Gospel (Fat Caddy)
Guter Roots-Rock aus Austin, Texas. Produziert und instrumental angereichert (Hammond B3, Wurlitzer, Accordion, Melodica) von Michael Ramos. Auf die Länge wirken die zehn Songs etwas all zu gleichförmig, was das Album je länger es läuft langweiliger macht. Aber ich denke, es lohnt sich zu verfolgen, wie sich Sänger/Gitarrist Juan Gutierrez, Leadgitarrist Jesse Duke, Bassist Dan White und Drummer Andy Morris weiter entwickeln.

9.12.05

Im CD-Wechsler (Woche 49 / 2005)

**** – Freakwater, «Thinking Of You...» (Thrill Jockey)
Catherine Irwin und Janet Bean gehören zu den Pionieren der alt.country-Bewegung – ihr erstes Album machten sie 1993. Nach sechs Alben hörte man nun sechs Jahre «nur» Soloprojekte der beiden Frauen, jetzt endlich wieder ein Freakwater-Album. Und dieses ist so gut, wie die zuvor waren. Schleppende Melancholie. Zuweilen schrammelnde Gitarren. Eindringlicher Harmoniegesang. Freakwater schreiben zwar ganz starke Songs, aber selbst wenn sie das Telefonbuch vorsingen würden, könnten sie Hühnerhaut erzeugen. Das war bei Debüt so, und das ist immer noch so.

**** – V.A., «Lowe Profile. A Tribute To Nick Lowe» (2 CDs; Brewery)
«Lowe Profile» ist ein hübscher Titel für diesen starken Nick-Lowe-Tribute aus der kalifornischen Alternative-Country-Szene. Produziert hat das Ding Walter Clevenger (Walter Clevenger & The Diary Kings), der mit seiner Band auch viele der Aufnahmen begleitet. Das vielseitige Album variiert mit Songs aus allen Phasen von Lowes Schaffen – von Brinsley Schwarz über Rockpile zu den Soloprojekten – von sanftem Country bis zu rauem Rock. Und macht einem damit immer wieder bewusst, was für ein grossartiger Songwriter Nick Lowe doch ist und was für einen grossen Beitrag zur Popgeschichte er (schon bisher) geieistet hat. Und ich bekomme wieder mal bestätigt, dass Lowe zu recht weit oben steht auf der relativ kurzen Liste meiner Lieblingsbriten (auf der z.B. – ich liebe Listen – auch stehen: Ronnie Lane [†], Ian McLagan, Ray Davies, Dave Edmunds, Brendan Croker, Joe Strummer [†], Jon Langford, Elvis Costello).
Track Listing:
LEFT SIDE
1. Eric Ambel - 12 Step Program (To Quit You Babe)
2. Ian Gomm - Cruel To Be Kind
3. Foster & Lloyd - Without Love
4. Dave Alvin - Failed Christian
5. Don Dixon - True Love Travels On A Gravel Road
6. Steve Allen - (I Love The Sound Of) Breaking Glass
7. Walter Clevenger & The Dairy Kings - There's A Cloud In My Heart
8. Michael Carpenter - (What's So Funny 'Bout) Peace, Love and Understanding?
9. Terry Anderson & The Olympic Ass Kickin Team - You Got The Look I Like
10. Bryan Shaddix - Couldn't Love You (Anymore Than I Do)
11. Rick Shea & Christy McWilson - Never Been In Love
12. Tipsy Jack - Marie Provost
13. Chris Gaffney - Crying In My Sleep
14. Rex Holmes & We Monster - Homewrecker
15. Steve Wynn - Truth Drug
RIGHT SIDE
1. Ron Flynt & The Blue Hearts - I Knew The Bride (When She Used To Rock & Roll)
2. Jamie Hoover - American Squirm
3. Eugene Edwards - The Ugly Things
4. Greg Trooper - What's Shaking On The Hill
5. sparkle*jets uk - When I Write The Book
6. James Intveld - Lonesome Reverie
7. Tiffany Anastasia Lowe - Heart
8. Duane Jarvis - Cupid Must Be Angry
9. Robbie Rist - Love So Fine
10. Kim Shattuck - You Make Me
11. The Lowe Beats - Don't Want The Night To End
12. Monkey Bowl - Let's Eat
13. The Brilliant Mistakes - Everyone
14. The Glimmer Stars - Rollers Show
15. The 'lectric Chairs - Heart Of The City

***1/2 – Junior Brown, «The Austin Experience» (Telarc)
Den famosen Junior Brown muss man eigentlich live gesehen haben, um zu wissen, was dieser absolute Ausnahmegitarrist kann. Denn wer ihn nur hört, kann das Gefühl haben, da würden sich ein E-Gitarrist und ein Steel-Gitarrist um den Lead duellieren. Dabei macht Junior Brown das alles selber mit seinem Eigenbau, der Elektro- und Steel-Gitarre vereint. «Guit-Steel®» nennt er dieses Teil (Bild). Es erinnert ein bisschen an das Ding, dass der älteren Musikfreunden vielleicht noch bekannte John McLaughling (im helvetischen Volksmund gerne als Mäcklöchli bezeichnet) jeweils umgehängt hatte, aber Gitarrenwixer von diesem Schlag können Brown das Wasser nicht reichen. Die Live-CD mit einer Aufnahme aus dem Continental Club in Austin, Texas in seiner üblichen Trioformation (mit Gattin Tanya Rae Brown an der akustischen Rhythmusgitarre und Johnny Penner am Bass; bei einem Song ergänzt durch den Akkordeonisten Flaco Jimenez) gibt auch eine schöne Demonstration seiner Virtuosität. Natürlich bringt er da all seine Heuler wie «Broke Down South Of Dallas», «Party Lights», «My Wife Thinks You’re Dead», «Highway Patrol» usw.

*** – Rosie Flores, «Christmasville» (Durango Rose)
Alljährlich erlaube ich mir eine Weihnachtsplatte. Diesmal fiel mir die Wahl leicht. Denn die texanische Country- und Rockabilly-Sängerin, -Songwriterin und -Gitarristin Rosie Flores ist ein alter Liebling von mir, und ich kaufe alles, was sie herausgibt. Neben ein paar Klassikern wie «Little Saint Nick» von den Beach Boys, «Run Run Rudolph», berühmt gemacht von Chuck Berry, und «Happy Christmas (War Is Over)» von John Lennon und Yoko Ono serviert Rosie auch einige eigene Songs –und den bitteren Blues «My Christmas Tree Is Hung With Tears» von Kollegin Sarah Brown.

** – Curt Kirkwood, «Snow» (Little Dog)
Debüt von Curt Kirkwood (ex Meat Puppets) als Solo-Singer/Songwriter, produziert & arrangiert & mit diversen Saiteninstrumenten begleitet von Pete Anderson (Dwight Yoakam, Michelle Shocked). Ungewohnt farblos und langweilig für eine Anderson-Produktion.

1.12.05

Im CD-Wechsler (Woche 48 / 2005)

**** – Diesel Doug & The Long Haul Truckers, «Mistakes Were Made (A Retrospective 1995–2005)» (Cornmeal)
Diesel Doug & The Long Truckers ist eine Countryrockband aus Portland, Maine, deren Namen ich zwar schon ab und zu irgendwo gelesen hatte, ihre Musik hatte ich indes nie gehört. Der hübsche Songtitel «If I’d Shot Her When I Met Her (I’d Be Outta Jail By Now)» hat mich nun bewogen, ihr 10-Jahr-Jubiläums-Album zu kaufen mit Aufnahmen von zwei Alben der Band von 1997 und 1999 sowie ein paar Tracks von «Area Code 207»-Compilations (207 ist die Telefonvorwahl von Portland, Maine, und seit einigen Jahren gibt Long-Haul-Gitarrist Charlie Gaylord Compilations mit Material von Musikern aus der Region unter dem Titel «Greetings from Area Code 207» heraus). Die von Sänger und Songschreiber Scott Link (aka Diesel Doug) gegründete Band spielt eine sehr muntere Mischung aus Country und Rock.
Im CD-Inlay schildert Link sehr anschaulich die Geschichte der Band:
In 1986 I heard Steve Earle’s album Guitar Town and it all fell into place. I was twenty one, had already dropped out of art school and was ready to drop out of liberal art school. And no I had a reason why. I was a songwriter. It didn’t matter that I had never written a song before or that I didn’t know how to play an instrument, I just knew that that was what I wanted to be. I grabbed my dad’s old Gibson B-25 and started learning chords. In 1994 I met Haakon Kallweit and hatched the idea for The Long Haul Truckers. After the typical shuffling of players, Charlie Gaylord came on board to play guitar, John Davison was on drums and Scott Conley joined soon after to play bass and the line up was in place.
Now it’s been ten years. Seems impossible. Ten years of bars, clubs, the occasional arena, glass ceilings, Wild Turkey, four dollar ASCAP checks, Geary’s Pale Ale, no sound checks, tiny stages, blown monitors, Gritty’s beer for free, rooms with 50 people in them who couldn’t give a shit, and rooms with 5 people in them having a great time. There were great shows like Lucky Ron’s in Ottawa where we opened for a modern rock band, an utter mismatch and we absolutely tore the roof off the place. There was our first CD release party at Raoul’s, where it was so packed I couldn’t get to the bar before the set. Ted’s Wrecking Yard in Toronto, Toad in Cambridge, The Free Street Taverna, Gritty’s and Silly’s here at home in Portland, Dottie’s in Atlanta on Halloween, The True Brothers down in Greensboro NC come to mind as great places for us. There were awful shows too like the Monday night in Birmingham, Alabama when exactly zero people showed up. We played the set anyway, that’s an awfully long way to go to not play.
All of these shows added to the ebb and flow of the changing local, regional and national Americana music scene. I think we got as far as double A in the minor leagues of alt-country music. But there was one glimpse of the show. It was in July 1999 opening for Willie Nelson at the Bangor Auditorium. Ah yes, the Willie show. I still have the bottle of Cuervo from our dressing room that they gave us. There were four or five thousand people in the hall and we walked on to a blackened stage to thunderous noise (they thought we were Willie, I guess). I got chills. I could’ve gotten used to that.
I used to think that it was that one show which made it all worthwhile. I thought that for a long time, but I was wrong. What made putting up with all the crap you have to put up with to do this, is that ten years later I think of all the stuff and it makes me smile an sometimes laugh, and ten years later I still see the same faces in the audience. I know who all of you are who come out to listen to these songs.
Thank you everyone.

**** – Marti Brom «Sings Heartache Numbers» (Goofin’)
Die profilierte texanische Rockabilly-Sängerin Marti Brom hat für einmal ein Album mit klassischen Country- und Honkytonk-Songs zusammengestellt. Ich muss die Titel aufzählen, denn die 13 Songs enthalten die Zahlen von 1 bis 13:
1 Way Ticket To The Blues
Alone At A Table For 2
3 Hearts Later
4 Walls
5 Fingers To Spare
Whisky 6 Years
7 Lonely Days
8 Weeks In A Barroom
Apartment #9
10 Minutes Till Heartaches
A-11
The 12th Of Never
13 Steps Away
So weit so originell – aber das alles ist auch sehr schön und stimmungsvoll. Dass das Album ähnlich klingt wie meine Lieblingsplatte dieses Jahres – Amber Digby, «Music From The Honky Tonks» (*****), – liegt einerseits an einer verwandten Songauswahl, anderseits aber auch an den Begleitmusikern, die im wesentlichen dieselben sind: Fiddler Bobby Flores, Gitarrist/Bassist Justin Trevino, Pianistin Debra Hurd, Leadgitarrist Levi Mullen, Steel-Gitarrist Dickie Overbey und andere.

Und in Kürze:
***1/2 – Miss Leslie & Her Juke-Jointers, «Honky Tonk Revival» (Zero Label)
Echte, im besten Sinne altmodische Honkytonk-Stimmung verbreitet auch Leslie Lindsey aus Houston, Texas. Mit ihrer Band spielt Miss Leslie Countrysongs in klassischem Stil mit einem Hauch von Rockabilly. Der Soundtrack für eine lange Nacht in einer alten Bar irgendwo in Texas. In «Honky Tonk No More» singt sie: «Now a dollar plays a song I wouldn’t give a nickle for, no the jukebox in the corner don’t play honky tonk no more.»

***1/2 – High Or Hellwater, «Legends & Hall of Famers» (self-released)
Das dritte Abum dieser Band um Songwriter und Gitarrist Matt Reasor (Gesang: Dan Coakley), die eben von Los Angeles nach Nashville zog bringt frische, respektlose Songs zwischen Country und Roots-Rock.

***1/2 – Black Rebel Motorcycle Club, «Howl» (RCA)
Die ersten beiden BRMC-Alben habe ich nicht gehört. Wieder so eine Rock-Revival-Band, dachte ich und hörte weiter lieber die Originale. Nachdem meine Dealer das dritte Album aber sehr loben mochten, riskierte ich es. Und bereue es nicht. Die vielseitigen und stimmungsvollen, sehr bluesigen und oft akustischen Americana-Klänge machen mir Spass. Aber offenbar habe ich nicht all zu viel verpasst, lese ich doch da irgendwo im Internet: «You may have heard the Black Rebel Motorcycle Club before, but you’ve never heard them like this. Seriously.» Da scheine ich ja genau im richtigen Moment eingestiegen zu sein. ;-)

*** – Susan Gibson, «Outer Space» (self-released)
Die texanische Songschreiberin und Sängerin Susan Gibson ist einem breiteren Publikum kaum bekannt. Aber sie hatte schon einen Millionenhit: «Wide Open Spaces» stammt aus ihrer Feder, die Dixie Chicks haben den Song zum Hit gemacht. Gibson spielte früher Countryfolk mit einer Band namens The Groobies aus Amarillo, Texas. «Outer Space», der Titel nimmt offensichtlich Bezug auf ihren Hit, ist nun ihr zweites Soloalbum. Und da drauf ist, wie gehabt, unspektakulärer Countryfolk.

18.11.05

Im CD-Wechsler (Wochen 43-47 / 2005)

***** – Blaze Foley, «Wanted More Dead Than Alive» (Waddell)
Ein verloren geglaubter Schatz ist wieder aufgetaucht: ein Studioalbum von Blaze Foley, aufgenommen wenige Monate bevor der geniale Songwriter 39-jährig am 1. Februar 1989 in Austin, Texas, erschossen wurde. Produziert hatten das Album die Waddell Brothers – Basisst David und Drummer Leland –, dabei waren zudem Steel-guitar-As Charlie Day, Joe Gracey als Gitarrist und Kimmie Rhodes als Back-up-Sängerin. Die Mastertapes fielen dann aber einem Brand zum Opfer und die Rohmix-Kassetten und davon für die Bandmitglieder gebrannte CDs blieben unauffindbar. Bis sich im Juli dieses Jahres bei Leland Waddell ein Freund aus Indiana meldete, der beim Ausmisten seines Autos eine unbeschriftete CD gefunden hatte und fand, das klinge ja wie Blaze Foley.
So gibt es nun neben den wenigen greifbaren Live-Aufnahmen auch gute Studioaufnahmen von meisterlichen Songs wie «If I Could Only Fly», «Faded Love & Memories» und «Clay Pigeons» mit stimmiger Begleitung.
Eine erste LP hatte der Texaner Blaze Foley (eigentlich Michael David Fuller) 1983 im den legendären Muscle Shoals Studio aufgenommen. Diese Aufnahmen wurden jedoch von den Behörden – offenbar im Zuge einer Drogenrazzia bei einem an dem Projekt Beteiligten – beschlagnahmt. Foley selber hatte lediglich eine Kiste LPs, mit welchen er vor allem Barkeeper bezahlte, wenn er blank war (ich wusste bis jetzt gar nicht, dass dieses LP sooo rar ist – ich habe Anfang der Neunzigerjahre in einem Second-hand-Plattenladen in San Antonio, Texas, ein neuwertiges Exemplar erstanden). Später hat Gurf Morlix ein Album mit Foley produziert, doch diese Bänder wurden Foley aus einem geliehenen Auto gestohlen.
Infos über Blaze Foley hier.

**** – Los Lobos, «Acoustic En Vivo» (self-released)
Eine Rarität von den Lobos: Das akustische Album mit ausschliesslich spanisch-sprachigen Songs wie «Maricela», «La Pistola Y El Corazon», «Volver, Volver» und «Guantanamera» ist keine „offizielle“ Veröffentlichung bei der Plattenfirma der Band, sondern eine in kleiner Auflage selbst herausgebrachte CD, die an Konzerten verkauft wird. Sehr folkloristisch – und wunderschön.
Einen Posten dieses Albums haben Los Lobos Village Records zum Vertrieb überlassen. Wer ein Exemplar will, sollte sich beeilen.

***1/2 – Kevin Gordon, «O Come Look At The Burning» (Crowville Collective)
Fünf Jahre nach dem grossartigen Album «Down To The Well» (damals auf meiner Jahresbestenliste) endlich wieder ein Lebenszeichen dieses Singer/Songwriters. Das neue Werk ist etwas rauer, rockiger und vor allem bluesiger als seine früheren. Die Covers neben den vorwiegend eigenen Songs kommen denn auch aus der Blues-Ecke: Eddie Hintons «Something Heavy» und Willie Dixons «Crazy Mixed-up World».

***1/2 – Rodney Crowell, «The Outsider» (Columbia)
Eigentlich stimmt alles beim neuen Album von Rodney Crowell. Gute neue Songs – bis auf Bob Dylans «Shelter From The Storms» alle von Crowell selber –, Singer/Songwriter Will Kimbrough als Leadgitarrist, dazu Gastsänger wie Emmylou Harris, John Prine, Beth Nielsen Chapman, Buddy & Julie Miller. Demnoch bleibt das Werk im Vergleich zum herausragenden vorletzten Album «The Houston Kid» von 2001 etwas blass und weniger profiliert.

*** – Delbert McClinton, «Cost Of Living» (New West)
Niemand wird von Delbert McClinton, dieses Jahr 65 geworden, erwarten, dass er plötzlich etwas völlig Neues macht. Aber dass er seinen Singer/Songwriter-Countryrock-Bluesrock-Soul, den er schon immer macht, wieder genau so gut und solid macht. Und das tut er auch auf seinem neuen Album.

*** – Dolly Parton, «Those Were The Days» (Sugar Hill)
Ein hübsches Album beschert und Dolly dieses Jahr: Sie hat ein Dutzend ihrer Lieblingssongs aus Sechziger- und Siebzigerjahren ausgesucht und diese so weit möglich mit den damaligen Interpreten aufgenommen – das Titelstück tatsächlich mit Mary Hopkin. Kris Kristofferson singt mit ihr sein «Me And Bobby McGee», Tommy James sein «Crimson And Clover» und Roger McGuinn ist bei «Turn, Turn, Turn» dabei. Nicht überall war eine Zusammenarbeit möglich. Yusuf Islam aka Cat Stevens wurde von den amerikanischen Berhören an der Einreise für die Aufnahme von «Where Do The Children Play» gehindert und musste seinen Part separat in Europa aufnehmen. John Lennon konnte aus bekannten Gründen bei «Imagine» nicht mittun, und dass sich Bob Dylan zierte, bei «Blowin’ In The Wind» mitzusingen, wundert nicht. Teils sind auch jüngere Gäste dabei, etwa Norah Jones und Lee Ann Womack bei «Where Have All The Flowers Gone».

*** – Chris Ardoin and NuStep, «Sweat» (sefl-released)
Chris Ardoin, aus einer grossen Zydeco-Dynastie in Louisiana stammend, ist zwar erst 24-jährig, blickt aber auf 20 Jahre Bühnenerfahrung zurück: Als 4-Jähriger trat er erstmals mit seinem Vater auf. Fünf Jahre später spielte er in der Band seines Grossvaters Lawrence «Black» Ardoin in der Carnegie Hall.
Als eigener Bandleader arbeitet er seit über zehn Jahren an seinem «new zydeco». «Sweat» ist bereits sein achtes Album, das erste mit seiner aktuellen Band NuStep – «it’s not the same old two step but a NuStep», sagt er selbstbewusst. Der Songwriter, Sänger, Akkordeonist, Organist und Gitarrist peppt die kreolischen Klänge vor allem mit pulsierenden Funk-Beats auf, mischt Elemente von R&B, Jazz, Country und Latin in die Zydeco-Klänge. Das dürfte vor allem live ziemlich schweisstreibend wirken.

Country?

Zwei Lieblingszitate zu Begriffsschubladen:

«People tell me it's country music, and I ask, 'Which country?'»
Terry Allen

«Alternative country? Alternative to what?»
Johnny Cash

9.11.05

Sources (4): «The Oxford American», The Music Issue 2005

«The Oxford American» erscheint vierteljährlich und trägt den Untertitel «The Southern Magazine of Good Writing». Es ist ein Nonprofit-Projekt in Zusammenarbeit mit der University of Central Arkansas (UCA) in Conway, Arkansas. Jeweils im Spätsommer erscheint «The Music Issue» – ein ganzes Heft, das dem Thema Musik gewidmet ist. Dabei geht es nicht um Neuerscheinungen, sondern um Musikgeschichte, um Musiker aus den US-Südstaaten. Da sich aber Musik in Worten nur beschränkt erklären lässt, liegt der Music Issue jeweils eine CD bei: der Soundtrack zum Heft.
In der aktuellen Ausgabe umfasst die CD 29 Tracks – fast zu jeder Story ein Song. Vertreten sind da zum Beispiel Dale Hawkins, Ricky Skaggs, Lightnin’ Hopkins, Johnny Winter, Cowboy Jack Clement, Moondog, Bessie Smith, Nat King Cole, Erykah Badu, The Wilburn Brothers, Blind Willie McTell, Al Green, Elvis Presley und Buddy Holly – was einen Eindruck vom breiten Spektrum geben mag. Neben diesen Namen sind auch obskure und wenig bekannte Musiker zu entdecken, zum Beispiel Arethas Schwester Erma Franklin oder das Gospel-Quartett The Pilgrim Travelers.
Die liebevoll gemachten Hefte sind Sammlerstücke; für die zweite Ausgabe (die erste ist nicht mehr greifbar) wird zum Beispiel heute schon 50 Dollar bezahlt.

22.10.05

Im CD-Wechsler (Woche 41-42 / 2005)

****1/2 – Pieta Brown, «In The Cool» (Valley Entertainment)
Schon ihr Debüt vor drei Jahren war stark. Da war sie aber vor allem noch «die Tochter von Greg Brown». Schon bald wird man wohl zu diesem begnadeten Singer/Songwriter aus Iowa sagen, er sei der Vater von Pieta Brown. Denn mit dem neuen Album hat sie einen grossen Schritt in Richtung der Lucinda-Williams-Liga gemacht. Pieta hat das Album zusammen mit dem Gitarristen Bo Ramsey, der auch schon für Lucinda Williams und öfter für Greg Brown arbeitete, aber auch selber Platten macht, produziert. In den Ardent Studios in Memphis wurde der oft recht bluesige Sound live eingespielt.

**** – Wayne Scott, «The Weary Way» (Full Light)
Besser spät als nie. Wayne Scott ist 71, und «The Weary Way» ist sein erstes Album. Wayne Scott ist der Vater von Darrell Scott, der in Nashville ein bekannter Songwriter und Multiinstrumentalist ist; er schrieb unter vielen anderen zwei Hits für die Dixie Chicks. Er hat das Album seines Vaters produziert, der nicht verstehe, warum er diese Aufnahmen habe machen wollen. Nun, wir Hörer verstehen es. Das Leben von Wayne Scott, aufgewachsen als elftes von dreizehn Kindern auf einer Tabakfarm in Kentucky, drehte sich um Arbeit, Familie, Kirche und Musik – in dieser Reihenfolge, merkt Sohn Darrell an. Hätte die Musik weiter vorne gestanden, hätte aus Wayne Scott ein Grosser werden können. Denn sowohl in seinem Songwriting wie in seinen Interpretationen scheinen Qualitäten auf, wie man sie etwa von einem Hank Williams oder einem Johnny Cash kennt. Scott machte in seiner Freizeit immer Musik. Und auch öffentlich: Er spielte in Dancehalls und Bars Country-Hits nach, die eigenen Songs behielt er jedoch für sich. Gut, dass ihn sein Sohn jetzt zu diesen Aufnahmen nötigte.

**** – Katy Moffatt, «Up Close & Personal» (Fuel)
Eine Wahnsinnsstimme, die mich schon viele Jahre begleitet. Vor allem live ist Katy Moffatt, inzwischen 55-jährig, schlicht grossartig. Dies zeigt dieses neue Album mit einem Live-Mitschnitt von 2002 in Albuquerque, New Mexico. Eine Stimme, die unter die Haut geht, dazu eine akustische Gitarre. Und gleich zwei Titel, die auf der Liste meiner hundert Lieblingssongs stehen würde, wenn ich die einmal aufschreiben würde: Ihr zusammen mit Tom Russell geschriebenes «Walking On The Moon» und «Further» von David Halley (wo ist bloss dieses grosse Talent abgeblieben?).

**** – Cowboy Junkies, «Early 21st Century Blues» (Zoe)
Es ist der Anfang des 21. Jahrhunderts, und es herrscht Krieg auf dieser Welt. Da kriegen die kanadischen Cowboy Junkies den Blues. Auf ihre unnachahmliche berührende Art setzen sich Sängerin Margo Timmins und ihre Brüder in eigenen Songs, vor allem aber Coverversionen, mit der Gewalt auf dieser Welt auseinander. «Licence To Kill» von Bob Dylan macht den Auftakt, zwei Springsteen-Songs, «Handouts In The Rain» von Richie Havens und «I Don’t Want To Be A Soldier». Dies alles im für die Cowboy Junkies so typischen, hauchfeinen Slowmotion-Americana-Sound, der seit Jahren viel kopiert wird, was aber nur all zu oft als «Country auf Valium» herauskommt.

***1/2 – Jimmie Dale Gilmore, «Come On Back» (Rounder)
Jimmie Dale Gilmore, ein Drittel der legendären Flatlanders, ist nicht nur ein begnadeter Singer/Songwriter. Mit seiner extrem näselnden Stimme ist er auch ein wunderbarer Interpret klassischer Countrysongs. Auf seinem neuen Album singt er Lieder, die er in seiner Jugend in Lubbock, Texas durch seinen Vater kennenlernte, geschrieben oder berühmt gemacht von Stars. Wie : Songs die von Stars wie Johnny Cash, Ernest Tubb, Hank Snow und Ray Price.

*** – Bobby Purify, «Better To Have It» (Proper)
In den Sixties gehörte das Duo James & Bobby Purify zu den Grössen des Rhythm & Blues und Soul. «I’m Your Puppet» war der grösste Hit des Duos, ein Song von Dan Penn und Spooner Oldham. Dan Penn war es denn auch, der den inzwischen 66-jährigen Ben Moore alias Bobby Purify aus der Versenkung holte und mit ihm – und Spooner Oldham und vielen anderen Cracks aus jener Zeit – ein wunderbares, warmes Soulalbum aufnahm. Penn zeichnet für fast alle Songs, die Produktion, die Aufnahmen und den Mix verantwortlich. Produzentenlegende Jerry Wexler vergleicht Purify in den Liner Notes mit Grössen wie Percy Sledge und Otis Redding.

*** – The Farmers, «Loaded» (Clarence)
The Beat Farmers gehörten in den Achtzigerjahren zu den führenden Countryrock-Bands. Jetzt sind sie zurück, nennen sich kurz noch The Farmers – und bringen ein Album voll spielfreudigem Countryrock. Mal rocken sie los wie einst die Georgia Satellites, mal werden sie leicht psychedelisch, mal klingts mehr nach Country, mal mehr nach Pop. Ein abwechslungsreiches, aber dadurch auch wenig profiliertes Album.

7.10.05

Im CD-Wechsler (Woche 40 / 2005)

****1/2 – Abigail Washburn, «Song Of The Traveling Daughter» (Nettwerk)
Bluegrass auf Chinesisch? Geht das? Bei Abigail Washburn schon. Aber die Bluegrass-Schublade ist für ihr Debütalbum sowieso viel zu eng. Sie begleitet ihre wunderbare, glockenhelle Stimme zwar mit Banjoklängen, dazu gesellen sich meist aber alsbald dunkle Cellotöne. Es gibt zwar auch Gitarren zu hören, im Hintergrund mal ein leises Akkordeon, ein bisschen Percussion auch, doch die Arrangements der zumeist eigenen Songs sind eher sparsam wenn nicht minimalistisch. Ein Song wird gar nur zweistimmig a capella gesungen. Ein Album (koproduziert übrigens von Banjo-Star Bela Fleck), das mit jedem Hören noch besser wird.
Und was es mit dem Chinesischen auf sich hat: Abigail Washburn kam als Austauschstudentin vor Jahren nach China. Dort spielte sie auf dem Banjo alte amerikanische Lieder. Nach der Rückkehr aus China begann sie sich mehr mit der Buegrass- und Folktradition zu befassen. Inzwischen war sie wieder in China auf Tournee. Und auf ihrem Album singt sie zwei Songs auf Mandarin-Chinesisch.
Abigail Washburn spielt übrigens auch Banjo in der Band Uncle Earl (siehe unten).

***1/2 – Uncle Earl, «She Waits For Night» (Rounder)
Traditioneller als Abigail Washburn ist Uncle Earl, wo sie auch Banjo spielt. Altmodisch ist dieses Frauenquintett (auf dem Album waren sie noch zu viert) jedoch nicht. Wie manche der neuen Bands, die sich auf die alte Musik besinnen, beziehen sich Uncle Earl auf die String Bands der Vor-Bluegrass-Zeit. Einen wichtigen Part spielt die Fiddle von Rayna Gellert. Kristin Andreassen spielt Gitarre, KC Groves vorwiegend Mandoline und Abigail Washburn Banjo. In den – wunderschönen – Gesang teilen sich die vier Frauen (neu dabei ist nun Sharon Gilchrist, die Bass und Mandoline spielt). Die meisten Songs auf dem von Dirk Powell (Balfa Toujours) produzierten Album sind Traditionals.

**** – Adam Carroll, «Far Away Blues» (Blue Corn Music)
Wie ein etwas jüngerer John Prine kommt mir der Texaner Adam Carroll vor. Sein neues Album, produziert von Lloyd Maines, bringt starke eigene Songs in unaufgeregtem Countryfolk-Stil. Carrolls akustische Gitarre wird vor allem durch Lloyd Maines’ viele Arten von Saiteninstrumenten – steel guitar, Dobro, Mandoline usw. – begleitet. Dazu gibts etwas Fiddle und Cello von Richard Bowden, Bass von Glenn Fukunaga, Hammond organ von Riley Osbourn sowie Harmoniestimmen kommen von Terri Hendrix und Ray Wylie Hubbard.

**** – William Elliott Whitmore, «Ashes To Dust» (Southern)
Nein, das ist nicht der versoffene Vater von Tom Waits. William Elliott Whitmore könnte vom Alter her Waits’ Sohn sein, auch wenn seine Stimme klingt, als hätte da einer sechzig Jahre lang zu viel geraucht und zu viel Brandy gekippt. Der Bauernsohn aus Iowa war schon auf seinem Erstling vor zwei Jahren eher auf der düsteren Seite des Lebens zu Hause, daran liess schon der Titel «Hymns For The Hopeless» keine Zweifel. Whitmore spielt Banjo und Gitarre, und dazu röchelt er Songs wie «The Day the End Finally Came» und «Diggin’ My Grave» ins Mikrofon. Starker Stoff! Auf dem CD-Inlay ein (angebliches) Samuel-Beckett-Zitat: «When you're up to your neck in shit, the only thing left to do is sing.»

***1/2 – Kim Carnes, «Chasin’ Wild Trains» (Sparky Dawg Music)
Erinnert sich noch jemand an Kim Carnes? Die mit «Bette Davis Eyes». Grosser Hit anno 1981. Diese Kim Carnes, im Juli 60 geworden, hat ein letztes Jahr ein neues Album gemacht, auf das ich erst jetzt aufmerksam wurde. Der Titel «Chasin’ Wild Trains» erinnert ein bisschen an ein Album von ihr aus den Achtzigerjahren, das «Barking At Airplanes» hiess. Das Dutzend eigene Songs, teils mit Kolleginnen und Kollegen zusammen geschrieben, etwa mit Chuck Prophet, Anders Osborne, Matraca Berg, Kim Richey und Al Anderson, liegt musikalisch irgendwo im weiten Feld von Folk und Country, hat aber auch einen leicht poppigen Einschlag. Kim Carnes’ rauchige Stimme klingt noch genau so wie damals. Genau so schön.

6.10.05

Warum «so nett»?

Ein Kollege meinte neulich, ich sei in diesem Blog «so nett», so freigiebig mit Sternen. Es gebe doch so viele CDs, die kaum ein Sternchen verdienen würden.
Der Kollege hat recht, gewiss.
Warum gibts hier kaum Ein- oder Zwei-Sterne-Bewertungen?
Das ist ganz einfach: Ich bin kein professioneller Kritiker (mehr). Ich werde darum nicht von Plattenfirmen gratis mit Stapeln von CDs beliefert, die mich eigentlich nicht interessieren. Die CDs, über die ich hier schreibe, habe ich – bis auf vereinzelte Ausnahmen (die mir ein befreundeter Musikjournalist, der sie gratis erhalten hat, weitergibt) – selber und mit eigenem Geld gekauft. Und ich will mein Geld ja nicht für Müll ausgeben. Ich kaufe nur, was mich interessiert. Nicht alles ist dann zwar so gut, wie ich es mir erhofft hatte, aber so schlecht, dass ich davor warnen müsste, ist natürlich kaum etwas.

25.9.05

Im CD-Wechsler (Wochen 36–39 / 2005)

***** – Bettye LaVette, «I've Got My Own Hell To Raise» (Anti-)
Was für eine Stimme! Einfach sackstark. Die 59-jährige Betty LaVette, die in den Sixties etliche Soul-Singles veröffentlicht hat singt auf dem von Singer/Songwriter Joe Henry produzierten Album zehn Songs, alle von Frauen (darunter «Joy» von Lucinda Wiliams, «Little Sparrow» von Dolly Parton, «I Do Not Want What I Haven`t Got» von Sinead O’Connor), mit einer Dringlichkeit, welche die Originale verblassen lässt. Ihre Mischung aus Soul und Blues und Rock und Rhythm&Blues (aber nicht, was heute als R&B gilt) macht Hühnerhaut.

**** – Hank Shizzoe & The Directors, «Out and About» (SoundService)
Der zweite Schweizer, der in diesem doch sehr amerikanisch geprägten Blog zu Ehren kommt (nach Urban Junior). Hank Shizzoe (bürgerlich Thomas Erb) ist schon seit langem ein Ausnahmegitarrist und ein guter Songwriter. Seine Musik, an Vorbildern wie JJ Cale und John Fogerty geschult, ist für einen Schweizer unglaublich laid back und stimmungsvoll. Sein neues Album ist noch besser als seine früheren. Und mit «Your Luck Will Find You», seiner englischen Adaption eines Berner Mundarthits, zeigt Shizzoe nebenbei, dass Songs von Züri West nicht nur auf Berndeutsch funktionieren, sondern universell sind.

***1/2 – Donna The Buffalo, «Life’s a Ride» (Wildlife)
Donna The Buffalo ist die Band des Singer/Songwriter-Paars Tara Nevins und Jeb Puryear aus der Provinz im US-Staat New York, und sie teilen sich auch den Leadgesang. Sie verschmelzen auf eine leicht und beschwingt wirkende Art Folk, Country, Rock, Reggae, Cajun und Zydeco zu einer sehr tanzbaren Mischung (und sind damit offenbar vor allem live auch sehr erfolgreich). Auf dem neuen Album wirkt sich die neue Keyboarderin Kathy Ziegler (Lowery Organ, Synthesizer, Clavinet) hörbar aus.

***1/2 – The Morells, «Think About It» (Hightone)
The Morells aus Springfield, Missouri, sind wohl so etwas wie in Fun-Projekt der Skeletons. Mit mitreissender Spielfreude bringen Gitarrist D. Clinton Thompson, Drummer Ron Gremp und Bassist Lou Whitney zusammen mit dem neuen Keyboarder Dudley Brown ein Rockabilly-geprägtes Potpurri mit Song wie «Let’s Dance On» von den Monkees und «Nadine» von Chuck Berry. Gehobener Partysound.

***1/2 – Jeff Black, «Tin Lilly» (Dualtone)
Mit seiner starken Stimme und guten Songs bringt Singer/Songwriter Jeff Black auf seinem vierten Album einmal mehr stimmungsvolle Roots-Klänge mit starken Anleihen aus Soul und Pop. Mit von der Partie sind der frühere Johnny-Cash-Bassist Dave Roe, der frühere Steve-Earle-Drummer Craig Wright, Mandolinist Sam Bush, Singer/Songwriter Will Kimbrough als Gitarrist und Produzent und die Singer/songwriter Kate Campbell und Matthew Ryan als Backroundsänger.

***1/2 – Johnny Hickman, «Palmhenge» (Campstore)
Der famose Teddy Morgan produzierte das Soloalbum von Cracker-Gitarrist Johnny Hickman. Mit einem Dutzend eigener Songs zwischen knochentrockenem Desert-Rock und leisen akustischen Songs überzeugt er auch solo. Neben Teddy Morgan sind unter anderen die Gitarristen David Immergluck und Bo Ramsey sowie Ken Coomer und Joey Burns von Calexico dabei.

*** – The Kentucky Headhunters, «Big Boss Man» (CBUJ)
Die Countryrock-Veteranen aus Kentucky interpretieren auf ihrem neuen Album eine Reihe von älteren Songs von Musikern, die sie beeinflusst haben, darunter Klassiker wie «Big Boss Man» (Luther Dixon), «Walkin’ After Midnight» (Fred Rose), «Hey Good Lookin’» und andere Songs von Hank Williams, «Like A Rolling Stone» von Bob Dylan und «I’m Down» von den Beatles. Die Songs werden jedoch keineswegs einfach nachgespielt, sondern die Headhunters gewinnen ihnen teils ganz neue Facetten ab.

*** – Martha Wainwright, «Martha Wainwright» (Zoe)
Martha Wainwright ist die Schwester des derzeit sehr gehypten Rufus Wainwright und also wie er ein Kind der Folk-Singer/Songwriter Louden Wainwright III und Kate McCarrigle. Marthas sehr persönliches Debütalbum ist irgendwo im weiten Feld zwischen Folk und Rock angesiedelt, gesanglich irgendwo zwischen Norah Jones und Patti Smith.

21.9.05

Sources (3): «No Depression»

«Surveying the past, present, and future of American music» heisst der neue Untertitel des Musikmagazins «No Depression», das mit seiner aktuellen Ausgabe (#59, September/October 2005) das zehnjährige Bestehen feiert. Die ersten zehn Jahre stand unter dem Titel «alt.country (whatever that is)».
Der Titel des von den Musikjournalisten Grant Alden und Peter Blackstock gegründeten und bis heute gemeinsam geleiteten Blattes bezieht sich auf das wegweisende Album «No Depression» von Uncle Tupelo von 1990, dessen Titel sich auf den Song «No Depression in Heaven» der Carter Family aus den Dreissigerjahren bezieht. Das Heft kam im September 1995 erstmals heraus. Der vierteljährliche Erscheinungsrhythmus wurde bereits nach einem Jahr auf zweimonatlich erhöht.
«No Depression» ist sicher das umfassendste Printmedium über die Musikgenres, die uns hier interessieren. Der Heftaufbau ist immer derselbe: Es beginnt mit Kurzstoffen wie Editorial («Hello Stranger»), Leserbriefen («Box Full of Letters»), Kurznews («Field Reportings»), Vorschau auf Neuerscheinungen («Please Release Me»), Nachrufen («Farther Along») und Konzertbesprechungen («Miked»). Die Rubrik «Town & Country» bringt jeweils etwa ein halbes Dutzend kürzere Porträts, bevor mit den «Extended Features» dann die Hauptgeschichten kommen, die teils etwas langatmig sind. In der aktuellen Nummer sind diese den North Mississippi Allstars, Rodney Crowell, Eliza Gilkyson, den Greencards, Son Volt, Richard Thompson, Marty Stuart, Charlie Sexton und Nickel Creek (Cover Story) gewidmet. Den Ausklang machen dann wieder kurze Stoffe: ein Essay («Sittin’ & Thinkin’»), Besprechungen von Wiederveröffentlichungen («Not Fade Away»), Besprechungen von Neuerscheinungen («Waxed») sowie Rubriken zu Filmen und Büchern. Die CD Reviews sind unterschiedlich lang, aber es sind immer sehr viele – in der aktuellen Ausgabe werden über 60 CDs besprochen.
Es gibt zudem eine Top-40 Chart, die auf den Reportings rund 30 einschlägiger Plattenläden quer durch die USA (sowie je einem in Australien und Schweden) basiert. Diese Liste ist durch das zweimonatliche Erscheinen jedoch meist schon etwas überholt – die Liste in der September/Oktober-Ausgabe etwa bezieht sich auf die Verkaufsmonate Mai/Juni (1. Rang: Ryan Adams, «Cold Roses»).
Einen guten Überblick über die Schwerpunkte von «No Depression» geben die Cover Stories aus zehn Jahren:
1995
#1 – Son Volt
1996
#2 – Blue Mountain
#3 – Steve Earle
#4 – Hank Williams, Honey Wilds
#5 – Wilco
#6 – Jason & The Scorchers
1997
#7 – The Waco Brothers
#8 – Bad Livers
#9 – Bottle Rockets
#10 – Whiskeytown
#11 – Robbie Fulks
#12 – Ricky Skaggs
1998
#13 – Victoria Williams & Mark Olson
#14 – Alejandro Escovedo
#15 – Ralph Stanley
#16 – Lucinda Williams
#17 – Emmylou Harris
#18 – Golden Smog
1999
#19 – Don Williams
#20 – Steve Earle & the Del McCoury Band
#21 – The Old 97’s
#22 – Gram Parsons
#23 – Buddy & Julie Miller
#24 – Dolly Parton
2000
#25 - «Ready for the Country» (Tift Merritt, Mike Ireland, Marah, Hayseed, Trailer Bride)
#26 – Jimmie Dale Gilmore
#26 – The Jayhawks
#28 – Loretta Lynn
#29 – Allison Moorer
#30 – Merle Haggard
2001
#31 – Rodney Crowell
#32 – (Billy Joe) Shaver
#33 – Lucinda Williams
#34 – Patty Loveless
#35 – Gillian Welch
#36 – Jay Farrar
2002
#37 – Kasey Chambers
#38 – Isaac Freeman
#39 – The Flatlanders (Jimmie Dale Gilmore, Joe Ely, Butch Hancock)
#40 – Kelly Willis
#41 – Guy Clark
#42 – Johnny Cash
2003
#43 – Alison Krauss & Union Station
#44 – Rosanne Cash
#45 – Little Miss Cornshucks
#46 – The Drive-By Truckers
#47 – Lyle Lovett
#48 – Bottle Rockets
2004
#49 – T-Bone Burnett
#50 – Patty Griffin
#51 – Loretta Lynn
#52 – Dave Alvin
#53 – Willie Nelson
#54 – Iris DeMent
2005
#55 – Mary Gauthier
#56 – Vic Chesnutt
#57 – John Prine
#58 – Lizz Wright
#59 – Nickel Creek

20.9.05

Bio Willie: Willie Nelson's Biodiesel

Willie Nelson engagiert sich nicht nur mit Farm Aid für die Farmerfamilien im Land. Unter dem Motto «Family Farmers growing fuel for America and the World» tut er jetzt gleichzeitig etwas für die Bauern und für die Umwelt: Unter dem Logo BIO WILLIE verkauft die Willie Nelson Biodiesel Company «Farm Fresh Biodiesel»! Zurzeit wird der Treibstoff frisch vom Bauern erst an acht Tankstellen in den USA angeboten: sechs in Texas (in Austin, Fort Worth, Amarillo, Keller bei Dallas/Fort Worth, Midlothian bei Dallas/Fort Worth und in Carl’s Corner zwischen Dallas und Waco), eine in Kalifornien (in Escondido bei San Diego) und eine in South Carolina (in Greer bei Greenville). Aber die Lancierung rollt erst richtig an. In der Trucker-Szene rührt Bill Mack, «The Satellite Cowboy», die Werbetrommel für Bio Willie Diesel.

2.9.05

Im CD-Wechsler (Woche 34/35 / 2005)

***** – Lucinda Williams, «Live @ The Fillmore», 2 CDs (Lost Highway)
Ein phantastisches Livealbum! Monatelang ist die Doppel-CD bei mir herum gelegen, bis ich sie endlich mal in den Player schob. Und dann so ein Hammer! Intensiv, ohne Mätzchen. Lucinda Williams’ Band mit Musikern aus dem Umfeld von Dwight Yoakam und Pete Anderson ist traumhauft gut: Gitarrist Doug Pettibone setzt zwar Akzente, aber zurückhaltend, ganz im Sinne der Songs und im Dienste der Chefin. Bassist Taras Prodaniuk und Drummer Jim Christie legen den grösstenteils eher getragenen Rhythmusteppich unaufdringlich und gefühlvoll aus. Und Lucinda Williams haucht und hechelt, stöhnt und schreit, grummelt und greint – einfach perfekt. Manche ihrer Songs – das Programm umfasst Titel aus den letzten rund zwanzig Jahren – haben noch nie so gut geklungen.

****1/2 – BoDeans, «Hombrewed. Live from the Pabst», 2 CDs (Back Porch)
Die BoDeans aus Waukesha, Wisconsin, waren mit ihrem Debüt Mitte der Achtzigerjahre aus dem Stand eine meiner Lieblingsbands geworden. « Love & Hope & Sex & Dreams» war ihr erstes Album, produziert von T-Bone Burnett. Und ich kaufte damals alles, wo drauf stand «produced by T-Bone Burnett» (auch wenn J. Henry «T-Bone» Burnett Bob Dylan dazu gebracht hatte, Katholik zu werden).
Zum zwanzigjährigen Bestehen der Band haben die BoDeans am 31. Dezember 2004 im Pabst Theatre in Milwaukee ein mitreissendes Konzert gespielt, das es jetzt auf einer Doppel-CD gibt. Kurt Neumann und Sammy Llanas, die beiden Songwriter, Sänger und Gitarristen der Band, sowie Bassist Bob Griffin, der auch schon seit den Anfängen dabei ist, werden ergänzt durch den versierten und gefühlvollen Drummer Kenny Aronoff (der u.v.a. John Mellencamp begleitete) und den jungen Keyboarder/Akkordeonisten Bukka Allen (der Sohn eines meiner Helden: Terry Allen).
Es muss ein tolles Konzert gewesen sein. Auf den CDs jedenfalls hört sich der melodiös-melancholische Rock ’n’ Roll von Neumann und Llanas wunderbar an, und selbst Songs von ihrem allerersten Album wie «She’s a Runaway» und «Fadeaway» klingen ganz schön frisch und zeitgemäss.

**** – Robyn Ludwick, «For So Long» (Late Show Records)
Robyn Ludwick ist die kleine Schwester der texanischen Singer/Songwriter Bruce und Charlie Robison. Und auch sie versteht es, starke Songs zu schreiben. Und diese Stimme! Leicht «schmirgelnd», eindringlich, und dass man manchmal das Gefühl hat, jetzt trifft sich gleich den richtigen Ton nicht mehr, macht sie nur noch interessanter. Schöne Melodien, stimmig eingespielt zwischen Folk und Country mit ein bisschen Bluegrass und einer Prise Rock. Produziert hat der Multiinsrumentalist (und Banjo-Wizard) Danny Barnes (ex Bad Livers). Und ein bisschen Unterstützung gibt es auch aus dem Familienkreis, etwa durch Schwägerin Kelly Willis (harmony vocals). Eine Entdeckung!

*** – Sarah Lee Guthrie & Johnny Irion, «Exploration» (New West)
Schon im Frühjahr ist dieses Album erschienen, und nachdem ich immer wieder Gutes darüber gehört habe, machte ich den Versuch doch noch. Denn mit dem Debüt von Sarah Lee Guthrie (die als Tochter von Arlo Guthrie und Enkelin von Legende Woody Guthrie einens schweren familiären Rucksack schleppt) vor vier Jahren fand konnte ich gar nichts anfangen. Es war fad, langweilig, uninspiert und klang ein bisschen unbeholfen. Nun zusammen mit Ehemann Johnny Irion klingt Sarah Lee Guthrie in der Tat viel besser. Am Anfang ist es etwas irritierend: Man hört eine hohe Stimme, denkt, das sei wohl Sarah, doch dann setzt ihre noch höhere, glockenhelle Stimme ein, und man merkt, dass das Johnny Irion war. Aber die beiden Stimmen ergänzen sich schön, und der Folk-Country-Sound kann sich hören lassen.

1.9.05

20 Jahre Farm Aid

Mit einer ganzen Veranstaltungsreihe an verschiedenen Orten in Illinois, auch in Chicago, wird das 20-jährige Bestehen von Farm Aid gefeiert. Höhepunkt wird das alljährliche Benefitkonzert sein, das am 18. September im Tweeter Center in Tinley Park, IL stattfindet. Neben den Farm-Aid-Gründern Willie Nelson, Neil Young und John Mellencamp sowie dem 2001 ebenfalls ins Farm Aid Board of Directors aufgenommenen Dave Matthews stehen weitere Stars auf dem Programm: Arlo Guthrie, Buddy Guy, Emmylou Harris, John Mayer, Kenny Chesney, Los Lonely Boys, Susan Tedeschi, Widespread Panic und Wilco.
Willie Nelson, Neil Young und John Mellencamp organisierten das erste Farm Aid Konzert 1985 in Champaign, Illinois mit dem Ziel, das Bewusstsein für das «Bauernsterben» zu wecken und Geld zu sammeln, um Farmerfamilien auf ihrem Land halten zu können. Farm Aid hat über 27 Millionen Dollar gesammelt, um Familienfarmen zu stärken. Durch Bildungsmassnahmen und direkte Beiträge fördert Farm Aid regionale und lokale Anstrengungen für Produktion und Vertrieb von Lebensmitteln durch Bauernfamilien

No Depression: Top 25 CDs von Mitte 1995 bis Mitte 2005

Zum zehnjährigen Bestehen des US-Musikmagazins No Depression haben Redaktion und regelmässige Mitarbeiter die 25 Top-CDs aus dieser Zeit – Mitte 1995 bis Mitte 2005 – gewählt:
1. Lucinda Williams, Car Wheels On A Gravel Road (1998)
2. Son Volt, Trace (1995)
3. Gillian Welch, Time (The Revelator) (2001)
4. Various Artists, O Brother, Where Art Thou? (Soundtrack) (2000)
5. Bob Dylan, Love And Theft (2001)
6. Whiskeytown, Strangers Almanac (1997)
7. Steve Earle, I Feel Alright (1996)
8. Billy Bragg & Wilco, Mermaid Avenue (1998)
9. Emmylou Harris, Wrecking Ball (1995)
10. Patty Loveless, Mountain Soul (2001)
11. Rodney Crowell, The Houston Kid (2001)
12. Marah, Kids In Philly (2000)
13. Bob Dylan, Time Out Of Mind (1997)
14. Wilco, Yankee Hotel Foxtrot (2002)
15. Dixie Chicks, Home (2002)
16. Caitlin Cary, While You Weren’t Looking (2002)
17. Robbie Fulks, South Mouth (1997)
18. Alejandro Escovedo, A Man Under The Influence (2001)
19. Shelby Lynne, I Am Shelby Lynne (2000)
20. Mike Ireland & Holler, Try Again (2002)
20. Johnny Cash, Unchained (1996)
22. Richard Buckner, Devotion + Doubt (1997)
22. Joe Henry, Trampoline (1996)
24. Loretta Lynn, Van Lear Rose (2004)
25. Bottle Rockets, 24 Hours A Day (1997)

31.8.05

Was ist Americana überhaupt?

Was ist eigentlich Americana? Die Amercana Music Association (AMA) definiert den Begriff so:
«Americana is American roots music based on the traditions of country. While the musical model can be traced back to the Elvis Presley marriage of hillbilly and R&B that birthed rock 'n' roll, Americana as a radio format developed during the 1990s as a reaction to the highly polished sound that defined the mainstream music of that decade. By also including influences ranging from folk to bluegrass to blues and beyond, Americana handily bridges the gap between Triple A radio and mainstream country.»
Aber Schreiben über Musik ist bekanntlich laut einem Frank Zappa zugeschriebenen Bonmot wie Tanzen über Architektur («Writing on music is much like dancing on architecture.»). Musik muss man hören. Einen tauglichen Überblick gibt die neue CD «This is Americana, Vol. 2», die von der AMA herausgegeben wurde und die für weniger als 2 Dollar (!) verkauft wird (erhältlich etwa bei Miles of Music, Village Records, aber auch bei Amazon.).
Die Songs darauf kommen von den aktuellen Alben der jeweiligen Musiker, also keine Raritäten und speziellen Sachen.
Track Listing:
• Sarah Borges - Daniel Lee
• Clem Snide - Fill Me With Your Light
• Julie Lee - Stillhouse Road
• Jitterbug Thompson – Fool
• Kathleen Edwards -Back To Me
• Robert Earl Keen - The Great Hank
• Holly Williams - Man In The Making
• John Doe (w/Dave Alvin & Veronica Jane) - Mama Don`t
• Amy Speace - Step Out Of The Shade
• Hacienda Brothers - Walkin` On My Dreams
• Caitlin Cary & Thad Cockrell - Party Time
• The Greencards – Time
• Robin Ella - Break It Down Baby
• Eric Bibb (w/Ruthie Foster) – Troubadour
• Adrienne Young - My Love Will Keep
• Maria McKee - Turn Away
• Jackie Greene - About Cell Block #9
• Michelle Shocked - How You Play The Game
• Rodney Crowell - The Obscenity Prayer
• Mary Gauthier - I Drink

Die erste Folge von «This is Americana» ist vor einem Jahr erschienen.
Track Listing:
• BR549 - That`s What I Get
• Slaid Cleaves – Wishbones
• Willie Nelson & Ray Price - I`m So Ashamed
• Tift Merritt - Ain`t Looking Closely
• Nitty Gritty Dirt Band w/Kris Kristofferson - Watch & Chain
• Allison Kraus & Union Station - Every Time You Say Goodbye
• Danny Barnes - Life In The Country
• The Jayhawks - All The Right Reasons
• Anne McCue – Stupid
• Notorious Cherry Bombs - Wait A Minute
• Rosanne Cash w/Johnny Cash - When It Comes
• Fairfax - If I Die
• Jay Farrar - Doesn`t Have To Be This Way
• Ralph Stanley - Wild Geese Cry
• Jim Lauderdale - Trashcan Tomcat
• Shelby Lynne – Telephone
• King Wilkie - Broke Down & Lonesome
• Lori McKenna - Bible Song
• Junior Brown - Little Red Rivi-Airhead
• Lucinda Williams – Ventura
• Arthur Godfrey - Amen

29.8.05

***** CD-Bewertungen

Meine Beschreibungen der CDs, die in meinem Wechsler stecken, sind oft relativ neutral, bringen mehr Information als Meinung. Damit mehr Klarheit darüber herrscht, wie mir die einzelnen Platten tatsächlich gefallen, bewerte ich sie ab sofort mit Sternchen.
Die Regeln:
- 5 ***** sind die Maximalnote; es gibt halbe Noten.
- Die Bewertungen sind absolut subjektiv.
- Die Bedeutung der Sterne (Qualität / Kaufempfehlung):
***** = herausragend / must have
**** = sehr gut / sehr empfohlen
*** = gut / bedingt empfohlen/für Fans
** = nicht wirklich gut / höchstens für Fans
* = schlecht / Hände weg!
(kommt 1/2 dazu, liegt die Bewertung zwischen den beiden vollen Noten.)

Die bisher hier erwähnten Platten habe ich bereits bewertet:


*****
Amber Digby, «Music from the Honky Tonks»
Taj Mahal, «Mkutano»


****1/2
John Hiatt, «Master of Disaster»
Michelle Shocked, «Don’t Ask, Don’t Tell»
Two Tons of Steel, «Vegas»
Dwight Yoakam, «Blame the Vain»


****
Sarah Borges, «Silver City»
Hayes Carll, «Little Rock»
Heavy Trash, «Heavy Trash»
The Knitters, «The Modern Sounds Of... The Knitters»
Jimmy Ryan, «Gospel Shirt»
Michelle Shocked, «Mexican Standoff»
Michelle Shocked, «Threesome»
Son Volt, «Okemah & The Melody of Riot»
Dao Strom, «Send Me Home»
Chip Taylor & Carrie Rodriguez, «Red Dog Tracks
Urban Junior, «Music for the Asses»


***1/2
Buckwheat Zydeco, «Jackpot!»
Laura Cantrell, «Humming By The Flowered Vine»
Grey DeLisle, «Iron Flowers»
Stacey Earle & Mark Stuart, «Communion Bread»
Robert Earl Keen, «What I Really Mean»
Shannon McNally, «Geronimo»
Kate Maki, «The Sun Will Find Us»
Michelle Shocked, «Got No Strings»
Camille Te Nahu & Stuie French, «Not Without You»


***
American Ambulance, «Streets of NYC»
Robert Gordon, «Satisfied Mind»
Les Honky More Tonkies, «Fabled Catbird Seat»
Ted Russell Kamp, «NorthSouth»
The Resentments, «Switcheroo»
X-Rated Cowbos, «X-Rated Cowboys


**1/2
Bianca DeLeon, «The Long Slow Decline of Carmelita»
Patricia Vonne, «Guitars & Castanets»


**
Clay McClinton, «Out of the Blue»
Terry Melcher, «Terry Melcher» (1974)

26.8.05

Sources (2): «3rd Coast Music»

Meine Lieblingsinformationsquelle für Musik ist ein bescheidenes, schwarz-weisses Blättchen auf billigem Zeitungspapier, 8 bis 16 grosse (35 x 29 cm) Seiten pro Monat, ausnahmsweise können es auch mal bis 24 oder 28 sein: «3rd Coast Music». Ich bin seit über 15 Jahren Abonnent. Gemacht wird dieses Blatt bereits seit 16 Jahren von John Conquest, einem Briten, der heute in San Antonio, Texas, lebt.
Als ich Ende 1989 zum ersten Mal nach Austin, Texas, kam, lag dieses Heftchen, damals noch geheftet und nicht als Zeitung, unter dem Namen «Music City» gratis in Clubs und Plattenläden auf. Conquest, davor in England unter anderem als Musikjournalist für «Time-Out» tätig, war der Musik wegen nach Austin gezogen. Und da er sich darüber ärgerte, wie die Lokalpresse mit der lokalen Musikszene umging, gründete er sein eigenes Blatt.
Den Namen «Music City» musste er bald ändern, weil das den Typen in Nashville, die zum Gallonenhut einen Business-Anzug tragen, gar nicht gefiel: «Music City» ist eine geschützte Marke der Stadt Nashville. Conquest behalf sich damit, «Texas» anzufügen: «Music City Texas» hiess das Blatt die nächsten Jahre. Doch die Beschränkung auf die Szene Austins wurde John Conquest mit der Zeit zu eng, der Fokus seines Blattes öffnete sich auf den weiteren Süden, vor allem auch auf Louisiana. Im neuen Titel «3rd Coast Music» drückt sich das aus. (Die 3rd Coast ist quasi die Südküste der USA zum Golf von Mexico, die oft fast ein wenig vergessen geht; meist hort man von der sonnigen Westcoast und der intellektuellen Eastcoast.) Conquest war mit den Jahren auch enttäuscht darüber, wie sich die Musikszene in Austin entwickelte, wie sich die einst so gute und freundschaftliche Stimmung in der Szene mehr und mehr verschlechterte, und zog nach San Antonio,
Ab und zu hatte der eigenwillige Schreiber Mitredakteure, aber das dauerte nie lange. Das Blatt blieb die One-Man-Show von John Conquest. Seit einiger Zeit hat der Musikschreiber Charles Earle aus Nashville eine ganzseitige Kolumne («Charles Earle’s B-Sides»).
Den Hauptteil des Heftes, das ursprünglich vor allem ein Veranstaltungskalender für die Clubs in Austin war, sind kurze Platten-Reviews. Da stösst man immer wieder – und darum mag ich das Blatt so – auf neue Namen in Reviews, welche die Neugier wecken. Und daraus wird schon mal der eine oder andere Liebling – zuletzt zum Beispiel Amber Digby.
John Conquest ist ziemlich rigoros in seinen Urteilen. Er putzt auch Szenelieblinge grob runter, wenn ihm etwas nicht passt. Anderseits pusht er auch hemmungslos, was er gut findet. Zum Beispiel Amber Digby. Und die ist ja wirklich gut. Er hat auch die eine oder andere Marotte, die ein bisschen nerven mag. Zum Beispiel geht seine Aversion gegen das Business so weit, dass er Musiker in der Regel nur gut findet, so lange sie nicht kommerziell erfolgreich sind.
Gewiss, ich bin nicht immer einig mit Conquests Urteilen. Aber oft. Und was ich an seiner Arbeit schätze: Er ist kein Schleimer, er foutiert sich darum, was oder wer gerade angesagt ist, er schreibt keine Gefälligkeits-Reviews. Er engagiert sich mit Leib und Seele für die Musik, die er mag. Zum Beispiel auch mit den «Freeform American Roots»-Charts. Darüber ein andermal mehr.
«3rd Coast Music» liegt immer noch gratis in Clubs und Läden auf. Ausserhalb dieses Verbreitungsgebietes kann man das Blatt für wenig Geld abonnieren, sowohl in der gedruckten Version (kommt in einem altmodischen, gelben Umschlag) wie auch als PDF per E-Mail. Die paar Dollar lohnen sich.

«The New Yorker» über Kinky Friedman

Kinky Friemans Kampagne für seine Kandidatur als Gouverneur von Texas läuft.
Eine schöne Story über «Kinky Friedman on the campaign trail» hat «The New Yorker», nachzulesen hier.

21.8.05

Im CD-Wechsler (Woche 33 / 2005)

• Shannon McNally, «Geronimo» (Back Porch)
Irgendwo im weiten Feld zwischen einer Lucinda Williams und einer Sheryl Crow würde ich Shannon McNally ansiedeln. Und sie hat auch das Zeug zum Star. Ihr zweites Album hat Charlie Sexton produziert, der auch als Gitarrist fungiert. Aus der Band von Bob Dylan, mit der Sexton lange tourte, hat er Bassist Tony Garnier mitgebracht, aus seiner Heimatstadt Austin, Texas, den dort lebenden britischen Keyboarder Ian McLagan (ex Small Faces). Von rockig bis balladesk variieren die zwölf Songs, bis auf «Tennesse Blues» von Bobby Charles alle von McNally selbst geschrieben (oder ko-geschrieben).

• Patricia Vonne, «Guitars & Castanets» (CoraZong)
Als interessante Roots-Rock-Songschreiberin und –Sängerin zeigt sich Patricia Vonne aus Austin, Texas, auf ihrem zweiten Album. Wie der Titel schon andeutet, gibts neben eher rockigen, englischen Songs auch spanische Titel. Eigentlich mag ich den TexMex-Sound ja sehr, bei Patricia Vonne besteht der aber vor allem aus Flamceno-artigem Gitarren-Geklimper, und auch das im Albumtitel angedrohte Castagnetten-Geklapper bleibt uns leider nicht erspart. Schade, dass es Patricia Vonne nicht gelingt, den Ami-Rock und das Spanisch-Mexikanische zu einer Einheit zu verbinden. Sie hat doch so viel Talent. Ich werde auch ihr nächstes Album wieder riskieren.

• Laura Cantrell, «Humming By The Flowered Vine» (Matador)
«Not the Tremblin' Kind», das Debütalbum von Laura Cantrell, schaffte es anno 2000 mühelos in meine Jahres-Top-10. Vielleicht war es der melancholische Unterton, der mich auf Anhieb erwischte. Die aus Tennessee stammende, aber seit Jahren in New York lebende Singer/Songwritern macht seit Jahren eine viel gerühmten Roots-Radiosendung («Radio Thrift Shop» auf WFMU, Jersey City, NJ) und kennt sich in der Musik bestens auf, was sich immer auch in der Auswahl der Songs, die ihre eigenen ergänzen, auf ihren Alben zeigt. Ihr musikalisches Spektrum reicht von klassischem Country zu modernem Folkpop.

• Camille Te Nahu & Stuie French, «Not Without You» (self-released)
«Camille is one of my favourite singers ever. She is a beautiful person with a million dollar voice. We're lucky to have her in Australia», sagt Kasey Chambers. Als Backgroundsängerin für die grossartige Kasey Chambers tauchte Camille Te Nahu, die aus Neuseeland stammt, in der Musikszene auf. 2002 kam dann ihr bezauberndes Debüt «Camille Te Nahu» nur mit Covers, darunter etwa «I Can't Make You Love Me» und «I'm So Lonesome I Could Cry». Ihr neues Album spielte sie mit dem Australier Stuie French (von der Band Feral Swing Katz) ein. Es sind teils Duette, teils singt Stuie für sie Background, vereinzelt sie für ihn. Schöne Country-Folk-Klänge, die auch mal mehr Richtung Countryrock, mal Richtung Folkpop gehen.

• Buckwheat Zydeco, «Jackpot!» (Tomorrow)
«Jackpot!» ist das erste Studioalbum von Stanley Dural Jr. aka Buckwheat Zydeco seit acht Jahren. Der begnadete Akkordeonspieler zeigt da nicht nur seine überschäumende Energie an der Handorgel. «Encore: featuring Organic Buckwheat» kündigt er auf dem Albumcover seine Zugaben an – in welchen er das Akkordeon mit der Hammond-Orgel tauscht, was den Songs eine Art Soul-Note gibt. Gleichzeitig ist das auch eine Rückkehr zu seinen Wurzeln: Bekannt wurde Stanley Dural Jr. vor seiner Solokarriere in den Siebzigerjahren als Hammond-Organist in der Red Hot Louisiana Band des legendären Zydeco-Kings Clifton Chenier.

• Urban Junior, «Music for the Asses» (FF Records/RecRec)
Von wegen «Americana». Urban Junior kommt weder aus Alabama noch aus Arkansas – sondern aus Aarau, Schweiz. Wer mich kennt weiss, dass ich kein ausgeprochener Freund einheimischen Musikschaffens bin; es braucht schon einiges, damit es ein Schweizer auf meine private Playlist schafft. Beim Auftritt von Iggy Pop in Luzern neulich war es, als ich Urban Junior verfiel, der da ein viel zu kurzes Vorprogramm bestritt. Ich hatte keine Ahnung wer dieser junge Schweizer war, wurde dann aber aufgeklärt, dass es sich um ein Soloprojekt des Sängers der viel gerühmten Schweizer Band HNO (von der ich wohl schon den Namen gehört habe, mehr aber nicht) handle. Dieser Urban Junior schrammt auf verschiedenen Gitarren ein paar einfache Riffs, bedient mit den Füssen dazu ein abgespecktes Schlagzeug und singt in irgend etwas wie ein Billigmegaphon. So einfach. Ist aber purer Rock ’n’ Roll. Brachial, aber verdammt gut. Als vergleichbare Musiker fallen mir nur die Dirty Old One Man Band von Scott H. Biram oder Bob Log III ein. Urban Junior ist das Gegenteil des FC Aarau – Weltklasse aus Aarau!

12.8.05

Im CD-Wechsler (Woche 32 / 2005)

• The Knitters, «The Modern Sounds Of... The Knitters» (Zoë)
Die LP «Poor Little Critter On The Road» von The Knitters, erschienen 1985, seht seit eh und je auf meiner «Einsame-Insel-Liste». John Doe, Exene Cervenka und D.J. Bonebrake von der L.A.-Punk-Band X hatten dieses Projekt zusammen mit ihrem Freund Dave Alvin, damals bei The Blasters, auf die Beine gestellt. Eine ironische aber liebevolle Auseinandersetzung mit Country und Rockabilly, teils mit X-Songs in akustischen Versionen. Und mit einer absoluten Ohrwurmversion des Traditionals «Walkin’ Cane». Zwanzig Jahre später knüpfen The Knitters augenzwinkernd an ihrem Kultalbum an. Keine Frage, dass der Titel ironisch gemeint ist.

• American Ambulance, «Streets of NYC» (Hayden’s Ferry)
Americana kommt nicht nur aus dem tiefen Süden der USA oder von der Westcoast. Überall gibt es einschlägige Bands, selbst in New York City. Zum Beispiel The Hangdogs. Und American Ambulance. Die sind zwar nicht in Manhattan zu Hause, aber immerhin in Brooklyn. Und sie spielen auch auf ihrem vierten Album prima Rootsrock.

• X-Rated Cowbos, «X-Rated Cowboys» (FFN)
Dan Baird von den legendären Georgia Satellites produzierte das dritte Album der X-Rated Cowboys aus Columbus, Ohio. Kein Wunder, gibts da satten Südstaatenrock. Aber nicht nur. Es haben auch feine Countryklänge mit leicht poppigem Einschlag Platz.

• Two Tons of Steel, «Vegas» (Palo Duro)
Als ich das letzte Mal ein Album dieser Jungs aus San Antonio, Texas, kaufte, nannten sie sich Dead Crickets. Jetzt sind sie zu ihrem früheren Namen zurückgekehrt. Wie auch immer sie sich nennen: Eine scharfe Rockabilly-Kombo, die sich auch Ausflüge in Western Swing und Honkytonky leistet. Höhepunkt: ein Rockabilly-Cover von «I Wanna Be Sedated» von den Ramones! Produziert von Lloyd Maines. (Produkte mit der Aufschrift «Produced by Lloyd Maines» kaufe ich immer, auch wenn ich vom Interpreten noch nie zuvor gehört habe.)

• Bianca DeLeon, «The Long Slow Decline of Carmelita» (Lonesome Highway)
Aus San Antonio kommt auch TexMex-Singer/Songwriterin Bianca DeLeon, die vor vier Jahren mit «Outlaws & Lovers» debütierte. Ich habe das in ganz guter Erinnerung, und da hats das neue Album schwer. Nicht dass es schlecht wäre, aber es kommt nicht so gut rüber. Die Songs sind inhaltlich eine Spur zu bemüht engagiert, musikalisch ein bisschen zu wenig originell. Hevorragende Musiker, darunter Akkordeonist Flaco Jimenez und Fiddler Bobby Flores, haben sie unterstützt, aber alles klingt ein bisschen zu flau.

• Clay McClinton, «Out of the Blue» (self-released)
Je mehr Söhne von Musikern, die man schon lange hört, auch Platten machen, um so mehr merkt man, dass man langsam alt wird... Jetzt also auch Clay McClinton, der Sohn von Delbert McClinton. Sein Bluesrock scheint sich stark am berühmten Daddy zu orientieren, lässt aber immerhin einiges Talent aufblitzen. Wenn er seinen eigenen Sound findet, kann aus ihm was werden.

6.8.05

DRS 3: Mehr Konserven-Tipps

• Das Schweizer Radio DRS 3, bringt Dr. John & The New Island Social and Pleasure Club live 1992 im Atlantis in Basel in zwei Teilen: am Montag, 8. August 2005, 21.03 bis 22 Uhr die erste Häfte, die zweite Hälfte dann eine Woche später, am 15. August 2005, gleiche Zeit.

• UND ACHTUNG: Am Dienstag, 9. August 2005 20.03 bis 22 Uhr, auf dem gleichen Kanal der unvergessene Auftritt von Jimmie Dale Gilmore, Butch Hancock und Joe Ely aka The Flatlanders vom Singer-Songwriter-Festival Frutigen 1991. Eine wahre Live-Perle!

Im CD-Wechsler (Woche 30/31 / 2005)

• John Hiatt, «Master of Disaster» (New West)
Wow, was für ein Album! Für mich das drittbeste von John Hiatt. Er war ja schon seit den Siebzigerjahren ein begnadeter Songwriter, und er wurde ein immer besserer Sänger. Nur musikalisch griff er immer mal wieder etwas daneben. 1987 dann das Meisterwerk: «Bring the Family» – mit der Traumbesetzung Ry Cooder (git), Nick Lowe (b), Jim Keltner (dr). Im Jahr darauf doppelte John Hiatt gleich nach: Auf «Slow Turning» liess er sich von The Goners begleiten, die aus Louisiana’s Gitarren-As Sonny Landreth und dessen Band bestanden. Den Auftritt von John Hiatt & The Goners auf der «Slow Turning»-Tour im Volkshaus Zürich habe ich noch heute im Ohr.
Was John Hiatt seither gemacht hat, war nie schlecht. Aber nie mehr so gut, wie sein Doppelschlag von 1987 und 1988. Bis jetzt. «Master of Disaster» wurde produziert vom legendären Jim Dickinson in Memphis, dessen Liste von Einsätzen als Keyboarder und/oder Produzent in den letzten Jahrzehnten sich liest wie ein Auszug aus dem Rocklexikon (klitzekleiner Auszug gefällg? Bitte: Ry Cooder, Willy DeVille, Bob Dylan, Aretha Franklin, Green on Red, Arlo Guthrie, Screamin’ Jay Hawkins, Jason & the Scorchers, Los Lobos, G.Love & Special Sauce, Mudhoney, The Radiators, The Replacements, The Rolling Stones, Slobberbone, Texas Tornados, Toots & the Maytals...).
Jim Dickinsons Söhne Luther und Cody, die inzwischen mit ihrer Band North Mississippi Allstars auch bestens bekannt sind, sorgen auf «Master of Disaster» an Gitarren und Schlagzeug für den erdigen Sound, auf dem John Hiatts kernige Stimme so gut gedeiht. Neben den Jungspunden spielt Muscle-Shoals-Session-Veteran David Hood den Bass.

• Son Volt, «Okemah & The Melody of Riot» (Sony BMG)
Ein willkommenes Comeback: Jay Farrar reaktiviert seine famose Band Son Volt mit neuer Besetzung: Starke Songs, markante Gitarren – erinnert an die besten Sachen von Uncle Tupelo.
Uncle Tupelo war vor 15 Jahren die Band der Kindheitsfreunde Jay Farrar und Jeff Tweedy. Mit ihrem Debüt «No Depression» lösten sie 1990 Einiges aus: Sie brachten das, was manche dann alt.country nannten, in die Kreise des Alternativrocks und lösten damit einen kleinen Americana-Boom. Sogar eine Zeitschrift benannte sich nach dem Albumtitel: Bis heute ist das zweimonatlich erscheinende Magazin «No Depression» so etwas wie die alt.country-Bibel. Nicht dass es Musik, wie Uncle Tupelo sie machten, vorher nicht gegeben hätte, aber sie gewannen ein neues, auch jüngeres Publikum dafür.
Nach dem ganz starken vierten Album «Anodyne» (mit einem meiner Lieblingssongs des legendären Doug Sahm: «Give Back the Key to My Heart») trennten sich die Wege von Tweedy und Farrar. Tweedy machte weiter mit Wilco, Farrar mit Son Volt. Wilco waren erfolgreicher, Son Volt aber waren – für meinen Geschmack – besser. Nach drei Alben mit Son Volt zwischen 1995 und 1998 machte Farrar solo weiter. Nun die erfreuliche Rückkehr von Son Volt: Das neue Album von Son Volt, «Okemah & The Melody of Riot», hat die Qualitäten des Erstlings «Trace» von 1995. Engagierte Texte, scharfe Gitarren – einfach gut.

• Terry Melcher, «Terry Melcher» (Collector’s Choice)
Grauenhaft das Cover: Ein blasser Mann mit rötlich-blonden, halblangen Haaren, ebensolchem Schnäuzchen, in einem beigen Rollkragenpullover und einem beigen Sakko. Sieht aus wie ein Pornodarsteller aus den Siebzigerjahren. Nun, mit den Siebzigerjahren liegt man richtig: Die Original-LP erschien 1974. Terry Melcher (übrigens der Sohn von Doris Day) war in den Sechziger- und Siebzigerjahren eine wichtige Figur in der Musikszene von Los Angeles. Er arbeitete mit Bobby Darin und Randy Newman, wurde Produzent bei Columbia Records, wo er unter anderen eine neue Band namens The Byrds betreute. Er produzierte zudem das einzige Album der legendären Rising Sons – der gemeinsamen Band von Ry Cooder und Taj Mahal, als sie jung waren. Im November 2004 starb Melcher nach jahrelangem Kampf gegen den Krebs.
Auf seinem eigenen Album wurde er denn auch von vielen Topmusikern unterstützt, darunter etwa Ry Cooder und Chris Hillman. Das Resultat klingt nach der sehr süssen Variante des Westcoast-Sounds der Seventies – und ziemlich überproduziert. Also eher historisch als musikalisch interessant.

• Chip Taylor & Carrie Rodriguez, «Red Dog Tracks» (Back Porch)
Der alte Mann und die schöne junge Frau. Singer/Songwriter-Legende Chip Taylor (geboren übrigens als James Wesley Voight und Bruder des Schauspielers Jon Voight) spielt seit vier Jahren mit der Violinistin und Sängerin Carrie Rodriguez (deren Vater David Rodriguez in Texas als engagierter Singer/Songwriter von sich reden machte, dann aber nach Holland auswanderte und aus der Musikszene verschwand). Ihre Country-Folk-Duette sind einfach wunderschön. Begleitet werden sie auf dem neuen Album unter anderem vom Jazzgitarristen Bill Frisell.
Chip Taylor war in den Sixties als Songwriter für etliche Hits verantwortlich, «Wild Thing» (Jimi Hendrix, The Troggs) und «Angel of the Morning» (Juice Newton, Chrissie Hynde) sind seine bekanntesten Songs. Selber veröffentlichte er in den Siebziger- und frühen Achtzigerjahren sechs Soloalben, darunter 1973 das herausragende Countryrockalbum «Chip Taylor’s Last Chance». In den frühen Achtzigern verschwand er aus der Musikszene - und wurde Profi-Spieler. An einer Black-Jack-Weltmeisterschaft in Las Vegas wurde er dritter, in Atlantic City räumte er an den Kartentischen derart ab, dass er bald in jedem Casino Hausverbot hatte. Da sattelte er um auf Pferdewetten.
1993 tauchte er wieder in der Musikszene auf, als er zu einer Songwriter-Tour mit Midge Ure, Darden Smith, Rosie Flores und Don Henry eingeladen wurde. 1996 legte er mit «Hit Man» erstmals wieder ein eigenes Album vor: eigene Interpretationen der Hits, die er für andere geschrieben hatte. 1997 folgte mit den «Living Room Tapes» ein wunderbar intimes Album, das ihn in der neuen Country/Folk-Singer/Songwriter-Szene etablierte.

• Stacey Earle & Mark Stuart, «Communion Bread» (Funzalo)
Das neue Album des Ehepaares Stacey Earle (übrigens die Schwester von Steve Earle) und Mark Stuart bringt wie gewohnt hausgemachten, akustischen Country-Folk. Staceys etwas rauhe und dadurch interessante Stimme wird durch Marks warme Harmonien ergänzt.

• Grey DeLisle, «Iron Flowers» (Sugar Hill)
Die Alben von Grey DeLisle werden von mal zu mal düsterer. Ihr neues Werk wird als irgendwo zwischen Neko Case und Tom Waits beschrieben. Produziert wie immer von Marvin Etzioni (Lone Justice), mit von der Partie sind u.a. Greys Ehemann Murray Hammond (Old 97’s), Dave Mattacks (Fairport Convention) sowie die Americana-Allzweckwaffen Don Heffington und Greg Leisz.

4.8.05

Leckere Konserven auf DRS 3

Während der Sommerwochen füllen die elektronischen Medien gerne viel Sendezeit mit angestaubter Archivware ab. Die Musikverantwortlichen beim Schweizer Radio DRS 3 haben auch in ihrem Archiv gewühlt – und dabei sehr leckere Konserven ausgegraben: Unter dem Titel Dein Liveradio werden da an Stelle der üblichen wöchentlichen Specials während ein paar Wochen Aufzeichnungen älterer Liveübertragungen von Konzerten gespielt. Gestern abend zum Beispiel der tolle Auftritt der Georgia Satellites von 1987 in Winterthur. Im Jahr nach ihrem Hit «Keep Your Hands To Yourself» war die Band in Hochform: scharfe Gitarrenriffs, knackige Beats. Es war eine wahre Freude.
Am Tag davor stand der wunderbare Auftritt von Emmylou Harris & Spyboy vom Januar 1997 im Kongresshaus Zürich – wer dabei war, erinnert sich noch heute gerne daran – auf dem Programm. Eine Woche vorher gab es Lyle Lovett & The Large Band von 1996 in Gstaad zum Wiederhören – eines der Konzerte auf meiner ewigen Live-Top-10-Liste!
Und es geht weiter, hinhören lohnt sich:
• Heute Donnerstag, 4. August 2005, 20.03 bis 22.00 Uhr: Chris Isaak 1987 im Kaufleuten in Zürich.
• Mittwoch, 10. August 2005, 20.03 bis 22.00 Uhr: Beck 1997 am Open-air St. Gallen.
Daneben klaffen noch einige Lücken in der Vorschau; aber vor allem am Dienstag, wo sonst der (übrigens immer empfehlenswerte) «Country Special» auf dem Programm steht, sollte man einfach mal reinhören – da kommt sicher was Gutes!

27.7.05

«Governor Kinky '06»

Seit ich wirklich erwachsen geworden bin, klebe ich keine Botschaften mehr an mein Auto. Der Sticker, der gestern einer Sendung CDs aus Texas beilag, würde ich jedoch ankleben - wenn ich denn in Texas leben würde:
«Governor KINKY ’06»
Es ist tatsächlich so: The one and only Kinkster, Richard «Big Dick» Kinky Friedman stellt sich im November 2006 als Parteiunabhängiger zur Wahl als Gouverneur von Texas. Kein Witz.
Der Wahlkampf hat schon begonnen. Als Kampagnenleiter hat Kinky Senator Dean Barkley engagiert, der schon den erfolgreichen Wahlkampf für Jesse Ventura managte (man erinnert sich: der frühere Wrestler Jesse Ventura eroberte als Politaussenseiter in Minnesota den Gouverneurssitz).
Kinky Friedman meint seine Kandidatur ernst. Dabei verliert der geniale Musiker und Schriftsteller aber seinen typischen Humor nicht. «My Governor Is A Jewish Cowboy» oder «He Ain’t Kinky, He’s My Governor» lauten die ersten Werbeslogans.
Und er verspricht: "If you elect me, I’ll be the first Governor in Texas history with a listed phone number."
Mehr zu Kinkys Plänen für Texas auf seiner Homepage.

25.7.05

Im CD-Wechsler (Woche 29 / 2005)

• Michelle Shocked, «Threesome» (Mighty Sounds)
1986 offenbarten «The Texas Campfire Tapes», mit einem Kassettenrecorder am Kerrville Folk Festival aufgenommen, ihr Songwriter-Talent. 1988 dann das Meisterwerk «Short Sharp Shocked», 1989 das Western-Swing-Album «Captain Swing», 1992 die Roots-Perle «Arkansas Traveler». Seither hat Michelle Shocked, von persönlichen Problemen und Streitigkeiten mit Plattenfirmen geplagt, nur dann und wann ein paar Häppchen Heimarbeit veröffentlicht.
Nachdem sie nach längeren Kämpfen die Rechte an ihren frühen Werken zurückkaufen konnte, gab sie in den letzten zwei Jahren «The Texas Campfire Tapes», «Short Sharp Shocked», «Captain Swing» und «Arakansas Traveler» auf ihrem eigenen Label Mighty Sound neu heraus – in schmucken Kartonböxlis mit umfassendem Booklet und jeweils einer zusätzlichen CD mit weiterem Material: Outtakes, Demos, Live-Aufnahmen usw.
Und jetzt kommt sie mit «Threesome»: eigentlich drei separate Alben in einer ziemlich cheapen Kartonhülle; die drei CDs werden auch einzeln angeboten. Damit, so Shocked, führe sie ihr «American Trilogy»-Konzept von «Short Sharp Shocked»/«Captain Swing»/«Arkansas Traveler» fort – nächstes Jahr soll bereits eine weitere Trilogie folgen. Aufgenommen hat sie die aktuellen Alben im Dezember 2004 und im Januar 2005, vorwiegend im Mad Dog Studio ihres früheren Produzenten Pete Anderson. Kurz zu den drei CDs:
• Michelle Shocked, «Don’t Ask, Don’t Tell» (Mighty Sounds)
Das Rockalbum der Trilogie, produziert von Anderson-Kompagnon Dusty Wakeman. Erreicht in den besten Momenten die Qualität von «Short Sharp Shocked». Mit Doug Pettibone an den Gitarren, Dusty Wakeman an Bass, Skip Edwards an Keyboards und Akkordeon und anderen.
• Michelle Shocked, «Mexican Standoff» (Mighty Sounds)
Das Roots-Album, produziert von Dusty Wakeman, Mark Howard und Steve Berlin (ja: der von den Lobos). Die heute in New Orleans und Los Angeles lebende Musikerin beschäftigt sich hier mit den Klängen ihrer texanischen Heimat. Mit mexikanischen Mariacchi-Trompeten geht es los, eine Texmex-Handorgel folgt, später pulsiert der Texas-Blues. Mit Max Baca (Flaco Jimenez, Los Super Seven) an Baja Sexto, Joel Guzman am Akkordeon, Anne McCue (!), Doug Pettibone und David Kalish an Gitarren, Freddie Washington am Bass, Pete Thomas am Schlagzeug und anderen.
• Michelle Shocked, «Got No Strings» (Mighty Sounds)
Das Western-Swing-, String-Band- und Bluegrassalbum – und das mit Songs aus Disney-Filmen! Etwas schräg, aber schön gemacht. Produziert von Nick Forster von den legendären Hot Rize, der auch Gitarre spielt. Ausserdem mit von Partie sind unter anderen Greg Leisz an Slide-Gitarre, Weisenborn und Lap-steel, Tony Furtado am Banjo und Skip Edwards am Piano.

• Dwight Yoakam, «Blame The Vain» (New West)
[vgl. Posting «Im CD-Wechsler (Woche 27 / 2005)» vom 11.07.2005]
Immer wieder im CD-Player, und je länger je lieber. Einerseits ist das Album, wohl vor allem durch Gitarrist Keith Gattis, frischer als Yoakams Arbeiten der letzten Jahre, auffallend sind vor allem auch ein paar freche und witzige Intros, anderseits ohrwurmt das Album richtig: Titel wie «When I First Came Here», «Three Good Reasons» und das Titelstück «Blame The Vain» setzen sich bald einmal fest im Kopf.

• Robert Gordon, «Satisfied Mind» (Koch)
Seit einem Live-Album Ende der Achtzigerjahre (auf dem unvergessenen französischen Label New Rose) habe ich nichts Neues mehr gehört von Robert Gordon, der in den Siebzigerjahren das Erbe Gene Vincents angetreten hatte. Unvergessen seine Alben mit Gitarristen wie Link Wray, Danny Gatton und Chris Spedding. Und nun ein Alterswerk des inzwischen 58-Jährigen. Älter die Stimme, mehr der Crooner als der Bad Boy von früher. Aber wie er da Klassiker wie «Sweet Nothin’s», «Sea of Heartbreak», «When I Found You» und «These Boots Are Made For Walking» bringt, hat er immer noch das gewisse Etwas, das Besondere, das ihn von beliebigen Interpreten abhebt. Unter den Begleitern der Gitarrist und Link-Wray-Verehrer Eddie Angel (Los Straitjackets), der grosse Nashville-Bassist Dave Roe (Johnny Cash, Iris DeMent, Todd Snider), Pianist/Organist Johnny Neel (ex Allman Brothers) und Steelgitarrist und Fiddler Fats Kaplan.

• Ted Russell Kamp, «NorthSouth» (PoMo)
Er spielt den Bass in der Band von Shooter Jennings (Sohn des legendären Country-Outlaws Waylon Jennings), der unlängst mit seinem starken Debüt «Put the ‹O› Back in Country» Furore machte. Daneben schreibt Ted Russell Kamp aber auch eigene Songs, die er jetzt auf dem eigenen Album «NorthSouth» präsentiert. Seine Musik erinnert teils etwas an kalfornischen Countryrock der Siebzigerjahre, ohne deswegen jedoch altmodisch zu wirken. Vor allem der Einsatz von Hammond-Orgel und anderen Keyboards gibt den Songs einen poppigen Groove.